© by Monika Gruber

Treibholz

Mit geschlossenen Augen greife ich aus dem Stoffsack einen Gegenstand. Es ist Treibholz. Als ich das Stück wie eine Flöte in der Hand haltend betrachte, staune ich, wie leichtgewichtig es mir erscheint. Ob es innen hohl ist, wie Bambus oder Schilf? Ich luge an beiden Enden, ob ich dort einen Hohlraum erkennen kann, doch ich sehe etwas Schwarzes, das das Innere ausfüllt, schwarz wie Holzkohle. Verwundert frage ich mich, wie mag dieses verkohlt wirkende Innere entstanden sind? Verpilzte es, wie ich das beispielsweise von Adlerholz kenne? Sind es Pilzarten, die das Holz in eine schwarze Masse verwandeln, für die ich keinen Namen kenne?

Das Stück könnte ein Ast eines Ufergehölzes gewesen sein. Vielleicht wegen seines kerzengeraden Wuchses könnte es aber auch der junge Stamm eines Haselnussstrauches im vorigen Jahrtausend gewesen sein. Das Treibholz misst eine Länge von meinem Handgelenk bis zur Spitze meines längsten Fingers, dem Mittelfinger. Mir gefällt das, dass die das Holzstück und die Länge meiner Hand einander gleichen.

In meiner Handfläche fühlt sich die Oberfläche des Holzes wunderbar anschmiegsam an, geglättet vom Wasser, das es vermutlich Jahrzehnte umspülte. Ich fasse die „Haut“ des Treibholzes an. Das spüre ich, als würde das Holz „warm“ sein, eine Art Lebendigkeit aufweisen, obwohl genau dieses Treibholz schon seit langer Zeit vom Saftstrom des Baumes getrennt ist. „Totholz“ wird das in der Fachsprache der Förster und Biologen genannt, wenn Holz ohne es wirtschaftliche zu nutzen im Wald verbleibt, dort dank Insekten und Pilzen zu Erde verwandelt wird in zwanzig dreißig, vierzig Jahren und so nun selbst wiederum als Nahrung dient für den Wuchs im Wald. Gilt Treibholz als Totholz?

Noch liegt das Treibholz in meiner Hand. Ich spiele damit, befühle seine Oberfläche, schätze sein Gewicht in einer Zahl, will sein Aussehen beschreiben, will das Gesehene für andere verständlich machen. Für andere, die das Treibholz nicht sehen können mit ihren eigenen Augen.  Will so erzählen, dass vor dem geistigen Auge ein Bild entstehen kann.

Das Stück Treibholz beschreibe ich als streifig gemasert in seinem Aussehen. Entfernt erinnert es mich an die Haut einer Schlange, im Farbton Cremeweiß und in Anthrazit. So dunkel erscheinend wie Ruß oder das Grau des Gefieders von Dohlen. – Ob sich die Dohlen Treibholz vom Ufer holen? Vermutlich kaum, eignet es sich weder als Nahrung, noch als Baumaterial für ein Vogelnest. Das aus dem Stoffsack gefischte Treibholz erfreut mich beim Anschauen und Antasten einfach als Sinnesfest.