© by Monika Krampl

 

Die Welt steht still und ich mit ihr.

 

Die Welt steht still.

Ich stehe still und schließe die Augen.

Konzentriere mich auf das Hören.

Und höre – nichts …

Welche Wohltat.

 

Kindheitserinnerungen. Ich sitze im Garten im hohen Gras der Wiese. Die Blumen rings um mich duften und ich höre die Bienen summen. Sonst nichts. In unserer Straße gibt es noch keine Autos.

 

Und jetzt – jetzt sehe ich zwar die Autos auf der Straße und in den Carports stehen. Jedoch sie fahren nicht.

Alles ist still.

 

Jenseits der Stadtgrenze sehe ich den Ötscher. Jeden Tag, wenn ich mit meinem Hund zu den Seen gehe, habe ich ihn im Blickfeld. Heute ist er mit Schnee bedeckt. Mein Blick hält sich an ihm fest. Er ist mein Halt. Sein Gestein ist aus der Zeit der Trias, der ältesten Zeit des Mesozoikums. Sie erstreckt sich über den Zeitraum vom etwa 251,9 bis 201,2 Millionen Jahre. Da kann man sich schon anhalten. Einerseits. Andererseits relativiert es den Zeitbegriff und unsere menschliche Wichtigkeit. Was sind da schon unsere Menschenjahre. Noch einmal andererseits – haben Menschen es in den letzten 100 Jahren locker geschafft, die Natur zu Grunde zu richten. Oder ist die Natur – nicht zu vergessen, dass wir ein Teil dieser Natur sind – gerade dabei, uns zu Grunde zu richten?

 

Alle Grenzbalken und –mauern, ja selbst ein „Eiserner Vorhang“ zwischen den Ländern wird das Virus nicht aufhalten. Es zeigt uns die Grenzen des Menschenmöglichen.

 

Immer wieder wird in dieser Zeit Friedrich Hölderin, der große Europäer, zitiert:

 

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“

 

Ist das so?

Ist es nicht auch so, dass Menschen erst in Gefahr und Not sein müssen, um wieder zu Besinnung zu kommen. Zur Besinnung auf die Werte der Menschlichkeit. Auf Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung statt Konkurrenz.

 

Ich gehe durch die stillen Straßen und um die Seen. Und die Menschen, denen ich begegne, sehen nicht weg. Wir sehen uns an und grüßen uns. Macht es das Verbot uns berühren zu dürfen möglich, uns in die Augen zu schauen? Uns zu sehen und uns zuzunicken?

 

Und ich erinnere mich wieder an meine Kindheit. Als jedes mal, wenn auf der Straße jemand vorbei ging, ich mit Freude zum Gartenzaun lief und hinaus rief „Grüß Gott!“. Und die Menschen sagten „Was für ein freundliches Kind sie haben …“ Obwohl es damals noch üblich war, dass auch fremde Menschen sich auf der Straße grüßten.

 

Ich merke, etwas verändert sich. Die Menschen verändern sich. Ich lese Berichte von Menschen über ihren Alltag. Diese Berichte, die ich schon immer interessanter fand als alles andere, interessieren mich jetzt noch mehr. Auf jeden Fall sind sie berührender als die neuesten Corona-Statistiken. Sie berühren mich / sie berühren jeden von uns / nehme ich mal an. Auf jeden Fall findet Berührung statt, – in Zeiten, in denen wir uns körperlich nicht berühren dürfen / sollen.

 

Ich empfinde Mitgefühl mit all den leidenden Mensch in allen Ländern / mit den Verstorbenen und den Sterbenden. Gerade auch das Leid in Italien berührt mich sehr. Wie sehr ich dieses Land doch liebe.

 

Wird sich jetzt, auf Grund dieser Katastrophe, etwas verändern?

Werden wir verstehen?

Oder brauchen wir noch die nächste Katastrophe – die Klimakatastrophe, – um aufzuwachen, aus der Unmäßigkeit / der Überheblichkeit / der Maßlosigkeit in allem Tun?

 

Werden wir verstehen, oder kommt es ganz schlimm – dass nachher – alles weitergeht wie bisher …

 

Am tiefblauen Himmel gibt es keine Kondensstreifen.

Das Wasser des Sees plätschert ans Ufer.

Enten schnattern leise …

 

Die Welt steht still.