© Michaela Lipp

 

Hausarrest

 Nein, nicht von meinen Söhnen verordnet, die Vernunft ist es, die uns eine Zwangspause angedeihen lässt. Nun, einem Menschen mit Fantasie wird es niemals langweilig, habe ich gelesen. Es geht uns (noch) gut. Willi hat etwas Kratzen im Hals, und ich habe Angst um ihn.

Und es ist schön draußen. Jeden Tag geht mein erster Blick nach draußen, wie das Wetter ist und dann auch, wer von den Nachbarn zuhause ist. Eigentlich sollten alle da sein. Naja die meisten. Heute ist Sonntag, und es sind wirklich alle Autos da, sogar das von dem Mann mit dem Büro über uns, er arbeitet also auch an Feiertagen und Sonntagen.

Ich schau hinten raus auf den Garten, sehe wie die Vögel herumhüpfen und frühstücken. Gestern sah ich etwas Sonderbares: Der Nachbar gegenüber saugte seinen Holzstapel ab. Er hat tatsächlich mit dem Staubsauger unter dem Vordach das Holz gesaugt. Ich kam lachend herein, erzählte es Willi.

„Mach ein Foto!“, war seine Erwiderung. Ich holte mir mein Handy, setzte meine Brille auf und fotografierte. Da sah ich es. Die Nachbarn haben ihr Auto sauber gemacht, und die Teppiche hingen auf dem Stapel Holz zum bequemeren Absaugen. Also: Brille aufsetzen. Ok ich lerne auch das noch.

Zurück zum Sonntag, wir schlafen lange und frühstücken spät. Willi sitzt am PC, und ich starre vor mich hin. Zum in den Garten gehen ist es noch zu kalt, also gehe ich in die Küche, so kann ich beim Gemüse-Schneiden nachdenken. Was will ich heute schreiben? Die Mäusegeschichte ist abgeschlossen, die Einhörner könnten wieder dran sein, aber ich weiß, dass ich mich nicht darauf konzentrieren kann. Da bräuchte ich ein paar Tage ohne jegliche Störung. Also kein Essenkochen, kein Haushalten, nichts, das geht nicht.

Ich denke an meine angefangenen Projekte: Maria soll noch die Pielach hochreiten und ankommen, Carla irgendwann glücklich werden, ich soll Kindergeschichten machen, aber irgendwie habe ich zu nichts Lust. Ich werde jetzt erst einmal lesen. Lesen bis ich wieder Energie habe.

Hausarrest ist auch gut. Draußen ist es jetzt warm genug, ich setze mich in die Sonne, bis mein Gesicht spannt und mein Hirn wieder Lust hat zu denken.

Ich setze mich hinaus, die Amseln schimpfen mich, weil ich mich in ihren Garten setze, die Lausbubenbande der Spatzen kommt lärmend vorbei. Sie erinnern mich an eine Bande von Jungs mit kurzen Hosen, die mit einem Fußball rumrennen und an ein paar andere, die mit den Rädern vorbeifahren. Höre Spielkarten, die Lärm machen, an den Rädern mit Wäscheklammern fixiert, Rollschuhe die verstellbar sind und kaputte Gummistiefel, die mehr Wasser hineinlassen, als abhalten.

Ich rieche den Sommer, wie er früher roch, und ich höre etwas, was es früher nicht gab. Die Windräder drehen sich in einem angenehmen Rhythmus. Wusch! Wusch! Wusch!

So sollte Sommer sein, so war meine Kindheit. Träge und leise und doch auch wieder laut. Ohne Stress, ohne Langeweile.