by Monika Gruber

Jakob Lebel aus dem Obstgarten

 Jakob Lebel, diesen Begriff verstand ich als Kind nicht richtig. Als Kauderwelsch, den die Großmutter daher schwafelte, kam er mir vor. Ich hörte den Begriff, wenn sie mit einer Schürze voller Äpfel aus dem elterlichen Obstgarten zurückkehrte. Erst Jahre später, als ich selbst lesen und in Bestimmungsbüchern nachschauen konnte, entdeckte ich, dass „Jakob Lebel“ („Jakoplevi“ gesprochen) eine alte Apfelsorte bezeichnet. Jene Sorte, die Großmutters Lieblingsapfel gewesen war und dessen Namen sie gekannt hatte. Ein saftiger Apfel, mit mürbem süßsäuerlichem Fruchtfleisch und einer wachsartigen Schale, die sich glatt anfühlt, und glänzt als wäre sie mit einer Speckschwarte eingerieben worden. 

 

Im Herbst sammelte meine Großmutter jeden Morgen die Falläpfel in ihrer blauen Schürze auf und trug sie so ins Haus. Noch gut erinnre ich mich zudem an die Schürze, die aus Baumwollköper genäht war. Eine solche, wie auch ich mir für die Gartenarbeit genäht habe.

Der Apfelbaum stand neben dem „Lusthäuschen“ im elterlichen Obstgarten. Ein Gartenhäuschen, das mein Vater einst in den 1960er Jahren von einer befreundeten Familie im Dorf geschenkt bekam, als Lohn für das Abbauen des Gebäudes, das beim geplanten Hausbau im Weg stand. Mein Vater baute das Lusthäuschen wieder auf, daheim im Obstgarten. Uns Kindern diente es sommers als luftiges Spielhäuschen und später im Alter als ich Hauptschülerin war, als Versteck, wo ich in den Sommerferien heimlich manches Buch las, anstatt beim Heuen mitarbeiten zu müssen.

Inzwischen bin ich selbst Großmutter, und der Apfelbaum steht immer noch. Überstand in den sieben, acht Jahrzehnten seines Daseins all die Sommer, Winter, Stürme, Unwetter, Fröste, mehrmalige Besitzerwechsel und den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Jetzt bin ich diejenige, die mit der blauen Köperschürze oder dem geflochtenen Haselruten-Korb die Falläpfel aufsammelt und ins Haus trägt. Meine Lieblingsäpfel. Jakob Lebel eignet sich gut dazu, ihn gleich zu essen, einen Apfelstrudel zu füllen, oder ich bereite Apfelmus zu, wie es die Enkel lieben. Damit ist es die vierte Generation, die den Geschmack dieser Apfelsorte genießt. Und ich hoffe sehr darauf, Jakob Lebel bleibt weiterhin am Leben bis hinein ins Erwachsenenalter meiner jetzt noch kleinen Enkel. Dann wird dieser Apfelbaum an die hundert Jahre alt sein und fünf Generationen beglückt und ernährt haben. – Ich danke dir, Jakob Lebel, Großmutters und mein geliebter Apfelbaum und Apfeltraum.