© by Angela Schagerl

Eine Katzengeschichte

Als Katze in der Sonnengasse 10 hat man es wirklich gut. Hier hat man einen Garten, ein großes Haus und auch sehr nette Menschenbewohner.

Gestatten:

„Mein Name ist Luna, ich bin im September 2016 in einer Wohnung, in der Sonnengasse 10, geboren. Meine Mama sieht ganz anders aus als ich und meine Geschwister, so nackig und dünn. Auch mein Onkel sieht genauso aus. Die Menschen sagen, Mama ist eine ägyptische Nacktkatze. Sie hat gar kein Fell, sondern nur Haut, aber ich, ich bin besonders schön. Ich bin ein dreifarbiges Glückskatzenmädchen mit sehr viel Fell. Wir sind alle dreifarbig, außer mein Bruder, der ist nur schwarz und weiß. Ihn liebe ich besonders, denn wir haben immer viel Spaß zusammen. Ich denke mein Papa ist in der Sonnengasse 5 wohnhaft, denn er treibt sich immer wieder in unserem Garten herum. Wahrscheinlich will er uns Kinder besuchen.

Nach circa drei Monaten übersiedelte ich zu meiner Menschenmama. Sie wohnt im zweiten Stock und ist sehr lieb. Mit ihr kann ich sehr viel kuscheln und sie spielt auch sehr viel mit mir. Es gibt da auch noch einen Menschenjungen, der mich immer in sein Bett lässt. Das finde ich einfach großartig.

Doch immer, wenn mir langweilig ist, darf ich in den Garten oder ins Stiegenhaus, da wartet meist mein Bruder und wir gehen auf Entdeckungsreise. Eines Tages spielten wir im großen Garten und entdeckten am Gartenzaun ein kleines Loch, durch das man in Nachbarsgarten schlüpfen konnte. Natürlich zwängten wir uns da durch und zu unserer Überraschung erblickten wir einen schönen Teich, über dem sehr viele Libellen schwirrten. Unser Jagdinstinkt regte sich sofort und wir rannten rund um das Gewässer um eine Libelle zu fangen. Bruder, der übrigens nie einen anderen Namen von den Menschen bekam, bemühte sich besonders, da er mich übertrumpfen wollte und vor mir eines der fliegenden Ungetüme fangen wollte. Er sprang am Holzsteg auf und ab, wollte seine Krallen in eine der schillernden Libellen schlagen, bekam plötzlich Übergewicht und platschte somit ins kalte Wasser. Katzen lieben Wasser nicht besonders, außer ich, aber das ist eine andere Geschichte. Gott sei Dank konnte er gleich ins Schilf verschwinden und raus aus dem Wasser. Er schüttelte sich und rannte voller Panik zurück in unseren Garten. Ich allerdings, erhaschte eine der Libellen und trug sie voller Stolz nach Hause. Ich brachte sie zu meiner Menschenmama und legte meine Beute als Geschenk für sie auf die Fußmatte. Im Laufe der Woche brachte ich noch einige dieser Geschenke, doch ich glaube meine Menschenmama freute sich nicht so darüber. Sie kam immer gleich mit Besen und Schaufel gelaufen und schaute mich mit strengem Blick an. Na ja, vielleicht bringe ich einmal etwas anderes mit, eine Maus oder so. Wir werden sehen.

Nachdem ich umgezogen war, passierte mir ein Unfall, der Gott sei Dank glimpflich ausgegangen ist.  Ich bin sehr gerne am Balkon, denn da kann man die Vögel in den Dachbarren sehr schön beobachten. Eines Tages saß ich wieder angespannt wie ein Bogen, in meiner Ecke am Balkon, als ein besonders frecher Spatz direkt am Geländer landete. Ich wollte ihn natürlich fangen und sprang auf das Sims am Geländer. Leider hatte ich nicht bedacht, dass es hier dann gleich fünf Meter in den Garten runter ging. Zu spät bemerkte ich meinen Fehler und stürzte ab. Ich landete zwar im Gras, jedoch schürfte ich mir mein Näschen auf den Betonplatten des Gehweges auf. Voller Angst lief ich wie von Sinnen zur offenen Haustür, rein ins Stiegenhaus und rein zu Mama in die Wohnung. Sie war sehr besorgt und untersuchte mich ganz genau, denn sie sah meine blutende Nase und dachte ich bin noch am Balkon. Danach habe ich einmal ein ausgiebiges Nickerchen gemacht. Gott sei Dank ist sie mit mir nicht zu diesem schrecklichen Doktor gegangen. Der hätte mich sicher wieder gepikst.  Also auf dieses Geländer springe ich sicher nie wieder.

Einmal erlebten Bruder und ich ein großes Abenteuer. Da man sich zu zweit einfach mehr traut, erkundeten wir die Nachbarschaft, deren Gärten und alle offenen Türen. Es war sehr aufregend. Wir versteckten uns jedes Mal, wenn ein Mensch auftauchte und huschten durch Hecken und Sträucher. Plötzlich entdeckten wir eine Scheune, in der es verdächtig nach Mäusen roch. Bruder traute sich als erster rein und ich folgte ihm zaghaft. In der Scheune wurden Holz und Briketts gelagert, auch Erdäpfel und Sachen die halt Menschen gerne essen. Da hatten es sich tatsächlich auch ein paar freche Mäuse gemütlich gemacht. Wir jagten sie bis zum bitteren Ende. Bruder rannte glücklich mit seiner gefangenen Maus aus dem Schuppen und ich wollte hinterher. Doch plötzlich wurde die Tür von außen zugeschlagen und ich war gefangen. Ich weinte fürchterlich, doch keiner hörte mich. Als ich dann sehr müde wurde legte ich mich zwischen das Holz und die Briketts, denn da war es angenehm warm. Am nächsten Morgen hörte ich plötzlich Schritte, ich setzte mich gleich neben die Tür und tatsächlich wurde sie geöffnet. Ich huschte wild durch den offenen Spalt, bevor die Tür noch ganz geöffnet wurde. Als ich nach Hause kam, war meine Menschenmama sehr besorgt, da ich über Nacht nicht zu Hause war. Außerdem war ich auf meinen weißen Pfoten ganz schwarz. Sie bürstete mich ausgiebig und für den restlichen Schmutz war ich selbst verantwortlich. Ich musste mich tagelang putzen, damit das Schwarz von meinen Pfoten verschwand. Zu dieser Scheune ging ich nie wieder.

Nachdem meine anderen Geschwister ausgezogen waren, hatten Bruder und ich gemeinsam immer wieder sehr viel Spaß, wir liefen um die Wette und jagen alles was sich bewegt. Wir teilten uns auch das extra für uns aufgestellte Katzenhaus im Garten. Ich durfte auch oft bei ihm übernachten und wir stritten uns nie. Eines Tages ist er jedoch mit meiner ganzen restlichen Familie weggezogen. Schade! Jetzt bin ich die einzige Katze in der Sonnengasse 10.

Ich helfe meiner Menschenmama gerne im Haushalt, oder praktiziere mit ihr Yoga. Jedes Mal, wenn sie sich auf die Matte setzt, mache ich gleich mit und lege mich dazu. Nur sie bleibt seltsamerweise nie liegen und verdreht sich in alle Richtungen. Ich verstehe das nicht. Beim Geschirrspüler ausräumen helfe ich auch, denn wenn sie mit dem unteren Korb fertig ist, klettere ich hinein und schaue von unten auf das Geschirr, ob wirklich alles sauber ist. Komisch, irgendwie habe ich das Gefühl, dass Mama das auch nicht besonders mag. Aber in der Früh, wenn ich höre, dass ihr Wecker läutet, stehe ich schon vor der Schlafzimmertüre parat, um mit ihr, wenn sie aufsteht, sofort ins Badezimmer und zur Toilette zu gehen. Denn dann ist sie nicht immer so allein. Am Abend relaxe ich am allerliebsten auf ihrem Bauch, dann kann sie fernsehen und ihr ist nicht so kalt, denn ich wärme sie mit meinem Fell und meinen fast zehn Kilo.

Ich freue mich total, wenn mein Menschenpapa am Wochenende nach Hause kommt, dann braucht Mama mich eh nicht und ich kann mich ganz ihm widmen. So ist es auch, wenn der Menschenjunge wieder einmal auf Besuch nach Hause kommt, denn der ist ja auch ausgezogen, wie meine Katzenfamilie. Da werde ich noch mehr geherzt und gestreichelt. Außerdem kommt die Bürste noch mehr in Einsatz und ich liebe das Bürsten meines Felles.

Mittlerweile bin ich sieben Jahre alt und nicht mehr ganz so umtriebig. Ich liege lieber den ganzen Tag herum und entspanne mich.“