© by Michaela Lipp

Katzen in der Schule

 

„Mama ich mag nicht in die Schule gehen.“

„Alle Katzen, die mal etwas werden wollen, müssen in die Schule gehen. Was steht denn heute auf deinem Stundenplan?“

„Erst mal Futterbetteln, dann Schnurren.“

„Hast du geübt?“

„Ja klar, horch: Brummmmmmmmmmmmmmm Schnurrrrr Schnurrrr. Ich habe meinen eigenen Rhythmus entwickelt, fast wie die Musik der Menschen. Walzen oder so.“

„Mama, Mama, wo ist meine Brotzeitbox?“

„Mama, Mama ich brauche meine Rechenheft.“

„Wer von euch hat meinen Turnbeutel, meine Kletterhaken genommen?“

 

Jeden Morgen das Gleiche. Die Katzenmutter ist froh, dass die Kinder dann doch irgendwann in der Schule sind. Weil sie ja nicht wie die Menschen nur ein Kind hat, sondern dieses Mal gleich sechs Stück auf einen Wurf. Und es gibt eine Katzenschule, so dass sie den Kindern nicht alles selbst beibringen muss. Die Kinder sind wirklich schlau, sie klettern auf Bäume und Äste, aber genauso auf Kratzbäume. Sie lernen das Schurren in verschiedenen Tonlagen und wie man in eine Katzenkiste geht.

Früher haben das immer die Katzenmamis gemacht, beziehungsweise die Menschen, die Katzen aufgenommen haben. Jetzt aber ist das viel leichter, die Katzenkinder gehen in Schulen, haben Intensivkurse und lernen alles, was wichtig ist. Sie bekommen Zeugnisse, in denen steht, wie sie sich verhalten haben, wie lernwillig sie sind und auch wie gut sie sich pflegen oder pflegen lassen.

Natürlich wird ihnen das Mäusefangen beigebracht und auch das Jagen auf Vögel, aber mit dem Hinweis, Vögel nur, wenn es keine Nahrung mehr gibt.

Die Dosenöffner sind sonst ärgerlich. Vor allem die bunten Vögel wie blaue oder grüne Wellensittiche, die darf man nicht jagen und fressen. Von denen bekommt man Würgereflexe, fast wie bei Gras. Katzengras natürlich.

Die Körperhygiene ist auch verändert worden, Katzenkinder benutzen ‚Kistenpapier‘ von der Rolle, Haarbürsten aus Naturborsten. Das ganze Abschlecken und Hinunterschlucken ist sowas von unhygienisch geworden.

Die Katzenmutter ist froh, wenn die Kinder später von den Menschen adoptiert werden. Sie selbst hat alles noch ganz anders gelernt.

Auch müssen die Kater jetzt bei der Kindererziehung helfen. Was für ein Gedanke. Alles ändert sich. Die Katzen bekommen kleine Pässe, in denen ihr Flohstatus und die Zeckenimpfungen eingetragen werden und auch die Impfungen gegen die Katzengrippe und die Menschengrippe, die seit einiger Zeit überspringt.

Ansonsten müssen sie kleine Masken tragen.

Bald bekommen sie ihre Zeugnisse. Ein blauer Brief ist auch dabei, der jüngste aus dem Wurf verweigert das Niedlich-Sein und das Anschmiegen. Er nennt sich selbst Kater Carlo. Er will auf einen Bauernhof und sich dort als Mäusejäger seine Mäuse verdienen. Er mag kein Futter aus der Dose, nein Mäuse, Käfer, Vögel und Milch von glücklichen Kühen ist sein Wunsch. Er will auch keine Haargummis tragen oder Schwanzschleifen.

Das ist doch nur für Weich-Katzen.

Seine große Schwester Bella-Luna ist das totale Gegenteil. Sie verweigert jegliches ‚Billigfutter‘, will jeden Tag eine andere Sorte und lässt dann doch einen Teil davon stehen. Sie kann total niedlich schauen, hält still, wenn sie gebürstet wird und lässt sich auch kleine Schleifen, Maschen und Spangen in die Haare binden. Sie kann betteln und leise schnurren. Sie hat Angst vor allem, was laut ist, schnell oder wild. Ihre Nägelchen sind immer perfekt gefeilt, sie wird niemals freiwillig auf einen Baum klettern. Da könnte man sich ja wehtun oder gar runterfallen. Einmal hatte sie sogar rosa Krallen, da war aber die Mama doch sehr böse. Bella-Luna ist einfach eine Luxuskatze. Sie hat die besten Zeugnisse.

Die Katzenmama seufzt leise auf. Bald ist der letzte Schultag. Dann beginnt der Ernst des Lebens. Sie versteht nicht, dass die Menschen das schon zum ersten Schultag sagen. Da ist doch noch alles offen, und jeder kann sich selbst entscheiden oder entwickeln.