© by Beatrix Vötter

Katzenstreicheln

 

Mein Gatte und ich hatten das große Glück über die Zeitspanne von fast siebzehn Jahren unser Leben mit zwei Katzen teilen zu dürfen. Dieses Geschwisterpärchen, ein Bub und ein Mädel, kamen als sogenannte Secondhandkatzen zu uns. Wir erteilten damals einer Wiener Tierärztin unseres Vertrauens den Auftrag, für uns eine geeignete Katze auszusuchen, sobald jemand ein älteres Tier weggeben sollte. Wir hatten damals nämlich noch keinerlei Erfahrung mit Katzen und so trauten wir uns nicht zu, ein junges Tier groß zu ziehen. Zunächst mussten wir einige Zeit warten, aber irgendwann kam dann tatsächlich ein Anruf: „Guten Tag, hier spricht die Tierärztin. Ich habe zwei Katzen, ca. 2 Jahre alt, die ich aber nur gemeinsam abgebe! Wenn Sie wollen, können Sie die beiden Tiere haben.“ Wir überlegten hin und her, aber dann machten wir uns auf den Weg, um sie zu holen. Die Tierärztin drückte uns, mehr oder weniger zwischen Tür und Angel, jeweils einen Katzentragekorb in die Hand und das war es. Als ich den einen Korb in Händen hielt, hatte ich das Gefühl, mein Arm würde abreißen, so schwer war der Inhalt. Ich schaute durch das Gitter des Katzenkorbes, um zu überprüfen, ob es sich vielleicht versehentlich um zwei Katzen handeln würde, die in diesem Katzenkorb verborgen waren, aber nein, es war nur ein Tier. Als wir dann zuhause ankamen und uns mit unseren neuen Mitbewohnern näher bekannt machten, wurde mir klar, warum mein Arm beim Transport so sehr schmerzte. Der Kater, obwohl vom gleichen Wurf, wie seine Schwester, war ca. doppelt so groß, wie sie, oder soll ich sagen, doppelt so breit? Er war so dick, dass er beinahe in dem Loch beim Kratzbaum steckenblieb, während seine Schwester so mager war, dass eine Bekannte sie später, charmanterweise, als „Modelkatze“ bezeichnete. Wir fanden bald heraus, was die Ursache war. Die beiden Tiere wurden scheinbar bei ihrem Vorbesitzer gemeinsam gefüttert und der Kater fraß seiner Schwester fast das gesamte Futter weg. Ihr ließ er lediglich ein paar Bissen übrig. Es dauerte Monate, bis wir die beiden daran gewöhnen konnten, getrennt zu fressen und Jahre, bis die Kätzin eine normale Figur hatte.

Schon bald hatten die beiden Tiere eine bevorzugte Bezugsperson. Die Kätzin bevorzugte meinen Gatten, während der Kater sich an mich anhängte. Oft saßen wir zu viert beim Fernsehen und teilten gemeinsam Freud und Leid.

Wenn man, so wie wir, mit zwei Katzen über einen so langen Zeitraum so nahe beisammen lebt, tritt irgendwann der Zeitpunkt ein, wo einem der Verstand manchmal einen Streich spielt und man kurzzeitig zwischen Menschen und Katzen nicht mehr richtig unterscheiden kann. Man könnte auch sagen, der Übergang von der Katze zum Menschen ist fließend. Es wird auch behauptet, man wird von der Katze, bzw. dem Kater gespiegelt. Ich machte es mir zur Gewohnheit, mit meinem Kater zu plaudern und er antwortete mir mit diversen Miaus. Wenn uns jemand dabei beobachtet hätte, hätte er vielleicht den Eindruck bekommen können, ich spräche „Kätzisch“, bzw. der Kater verstünde die Menschensprache, oder aber, dass wir allesamt ein bisschen verrückt wären.

Mittlerweile sind die beiden Tiere seit ein paar Jahren verstorben. Doch, obwohl es schon einige Jahre her ist, dass sie uns verlassen haben, kann ich mich immer noch an das Gefühl erinnern, das ich hatte, wenn ich meine beiden Katzen streichelte. Es ist, als ob ich dieses Gefühl in meinem gesamten Körper verinnerlicht hätte; als ob ich diesen Vorgang in mein Körpergedächtnis aufgenommen hätte. Nicht nur der Vorgang des Streichelns ist gespeichert, also die Handlung an sich, nein, es ist das gesamte Gefühl, das ich damit verbinde, welches sich in meinem Herzen breit gemacht hat.  Die Empfindung meiner Zufriedenheit, wenn mein Kater, oder die Kätzin schnurrten, oder die Empfindung in meiner Hand beim Köpfchengeben, das teilweise sehr heftig war.  Es sind die Bewegungsabläufe meiner Hände, die ich im Körpergedächtnis gespeichert habe, genau im richtigen Tempo und in der richtigen Länge den Arm zu bewegen, vom Kopf der Katze bis hin zum Schwanzansatz. All das sind Empfindungen, die ich noch heute abrufen kann, so, als wäre es gestern gewesen, und das, nach so langer Zeit. Ich brauche nur meine Augen zu schließen, den Vorgang aus der Erinnerung abzurufen, und schon sind all diese Empfindungen wieder da.

Vielleicht ist es genau das, was in der Literatur gemeint ist, wenn man sagt, dass alle, die wir lieben, in unserer Erinnerung weiterleben. Ich möchte jedenfalls diese Empfindungen nicht missen, denn mittlerweile sind sie ein Teil meiner Persönlichkeit geworden. Und so leben unsere beiden Katzen in meinen Körperempfindungen weiter und ich bin für diese schöne Erfahrung dankbar.