© by Renate Lind

Kinder mit Fell

An einem schönen, sonnigen Maientag stand er plötzlich mitten im Wohnzimmer, schaute sich interessiert um und fand sichtlich gut was er da sah. Er strich freundlich um meine Beine, ließ ein sanftes Schnurren hören, was ich leicht übersetzen konnte, denn das hieß auf Katzisch, gib mir ein Lackerl Milch und ich bleib ein Weilchen bei dir. Machte ich natürlich gerne, gab ein Schüsserl Milch und ein paar Streicheleinheiten dazu. Meine Enkelkinder waren gerade bei mir, sie nahmen in der Schule gerade das alte Ägypten durch, und so erhielt er den stolzen Namen „Ramses“. Er blieb den ganzen Tag, spielte mit den Kindern, eine rasch gekaufte Portion Katzenfutter wurde verdrückt, um dann am Abend auf leisen Pfoten wieder zu verschwinden. Am nächsten Morgen schaute ich schon ziemlich früh auf die Terrasse, mit der stillen Hoffnung, der Ramses möge sich doch an uns erinnern und wieder einen schönen Tag mit uns und den Kindern verbringen. Ich wurde nicht enttäuscht, er lag bereits auf einem der Gartensessel, und schaute mich fragend an, ich öffnete die Terrassentür und unser neuer Mitbewohner sprang freudig ins Wohnzimmer. Und diese Szene wiederholte sich nun jeden Tag, am Abend verschwand er irgendwo hin, und morgens war er hungrig und durstig wieder da. Er war noch jung, hatte noch seine Milchzähne und war dementsprechend fröhlich, sanft und verspielt, meine Enkelkinder waren selig. Gegen Ende des Sommers, als die Schule wieder begann mussten sie zurück nach Paris, und der Ramses blieb hier, der Abschied war tränenreich. Eine Zeitlang lief er noch jeden Morgen hoffnungsvoll in das nun leere Schlafzimmer der Kinder, und man konnte ihm die Enttäuschung ansehen. Als sich der Herbst mit Sturm und Regen ankündigte, kam der Ramses immer seltener, er wirkte traurig und unruhig. Und eines Tages kam er gar nicht mehr, alles Suchen und Rufen war vergeblich, der Ramses blieb weg. Vielleicht konnte er einer schönen Katzendame nicht widerstehen, oder, was wahrscheinlicher ist, er hat die Bekanntschaft mit einem rasenden Autofahrer nicht überlebt. Den Kindern haben wir erzählt, der Ramses wäre auf eine Weltreise gegangen und vielleicht schaut er ja in Paris mal kurz vorbei.

Dieser Trost hielt natürlich nicht lange, bald schon kam aus dem fernen Frankreich die riesengroße Bitte: „ Wenn wir im Frühjahr wieder zu dir kommen, dann bitte Oma, darf ich mir ein junges Katzerl wünschen. Ich hab doch bald Geburtstag, und das Einzige was ich mir wünsche ist ein Kätzchen.

Eine liebe Bekannte, natürlich auch eine Katzenfreundin, habe ich gefragt ob sie eventuell jemanden wisse der junge Katzen hätte, und der sich vielleicht von einer trennen würde. Ja, sagte sie ich habe eine Freundin im Waldviertel da gibt es bald Katzennachwuchs, da könnt ihr euch dann eine aussuchen.

Der Jubel war groß, juchhuu wir holen uns ein gesundes Bauernkatzerl, das haben wir zumindest geglaubt. Ausgerüstet mit einem rosafarbenen Transportkorb, mit vor Erwartung ganz zappeligen Kindern, machten wir uns im Frühjahr auf den Weg. Wir waren schon angekündigt, der große Hund war sicherheitshalber angebunden. Die Bäuerin brachte uns in einen Schafstall in dem gerade zwei Lämmer geboren waren und in dem sechs kleine Kätzchen herumliefen. Fünf von ihnen verschwanden eiligst bei unserem Anblick, und eines kam neugierig näher, kuschelte sich in unsere Arme und begann sofort zu schnurren. Und damit war die Entscheidung natürlich bereits gefallen. Wir bedankten uns herzlich mit zwei Packungen ( mein Gott, wie passend ) Katzenzungen aus Schokolade, das bis jetzt namenlose Katzerl ging ohne Widerspruch in den Transportkorb und wir fuhren hochbeglückt nach Hause. Ein bisserl sehr dünn kam sie uns vor, sie hat auch gehustet und geniest, und geimpft gegen alle möglichen Katzenkrankheiten war sie natürlich auch nicht. Ein Schafzüchter hat einfach andere Prioritäten. Auf meine Frage was sie denn so zu fressen bekommen habe, zuckte er mit den Schultern und sagte dann, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt: „Na, mit dem Hund hat`s a bisserl mitgfressen.“ Ich warf einen Seitenblick auf den sehr großen Hofhund und dachte mir, also recht viel hat er dir wahrscheinlich nicht übrig gelassen.

Zu Hause hat sie erst einmal eine große Portion Katzenfutter für Junioren verschlungen viel Milch geschlabbert und dann unseren Garten inspiziert, die Kinder haben sie Minkie genannt.

Die Tierärztin die sie ein paar Tage später untersuchte, stellte fest dass sie eine Bronchitis hat, Schnupfen, entzündete Augen und klumpen weise Milben in den Ohren. Soviel zu einem gesunden Bauernkatzerl. Sie sei ungefähr vier oder fünf Monate alt, so sagte sie. Sie wurde mit einigen Injektionen Antibiotika behandelt wir haben täglich die Äuglein ein getropft, und grausliche schwarze Milben aus den Ohren entfernt und ihre Impfungen hat sie auch bekommen. Sie hat dies alles mit einer unglaublichen Geduld hingenommen. Schön langsam hat sie sich erholt, und ich habe mich gefreut dass sie auch ein wenig runder wurde.

Doch im Laufe der nächsten Wochen wurde sie irgendwie sehr rund. Aber das gibt es ja nicht, redete ich beruhigend auf mich ein, so ein jungen zartes Katzerl kann doch noch nicht, nein unmöglich, sie frisst halt einfach ein bisserl viel.

Aber dann war es einfach nicht mehr zu übersehen und alles beruhigen war zwecklos, die Minkie ist schwanger. Das Internet belehrte mich, dass Katzen zehn Wochen tragen und ich wusste genau, also bei uns ist das nicht passiert, es gibt keinen Kater in der Nähe, außerdem haben wir sie bewacht und in der Nacht war sie im Haus.

Genau acht Wochen nachdem wir sie aus dem Waldviertel geholt hatten, saß sie am Nachmittag vor mir, sah mich ängstlich an, krümmte sich und knurrte ganz seltsam. Ich hatte schon eine mit weichen Tüchern gepolsterte Kiste für diesen Fall hergerichtet und in diese setzte ich sie nun, redete beruhigend mit ihr und gab ihr zu verstehen dass wir beide das jetzt schon schaffen würden. Armes Katzerl, dachte ich, da hat dich doch sicher ein Verwandter, zwei Wochen bevor du zu uns gekommen bist, in deiner frühesten Jugend geschwängert. Und älter als vier oder fünf Monate musst du auch gewesen sein. Warst halt sehr klein, unterernährt und dünn für dein Alter.

Ich habe schon einmal geholfen ein Kalb auf die Welt zu ziehen bei einem Bauern in Maria-Laach, aber eine Katzengeburt war etwas ganz Neues für mich. Es war ein sehr bewegendes Erlebnis. Die Minkie krümmte sich und knurrte, schloss die Augen, und nach mehrmaligem Drücken und Pressen war das erste Katzenkind auf der Welt. Aber sie wusste nicht so recht was sie jetzt damit anfangen sollte, es hatte die Schleimhaut noch über dem ganzen Körper, und man konnte sehen, wie es verzweifelt versuchte dieses Häutchen los zu werden. Ich hab dann mit einer Küchenrolle helfend eingegriffen, um das Katzenbaby vor dem Ersticken zu bewahren. In meiner Hand hat es seinen ersten Schnaufer gemacht. Erst jetzt hat es ganz leise gepiepst, und die Minkie hat gemerkt, oh mein Gott ich hab ja ein Kind, sie hat es dann trockengeschleckt, die Nachgeburt gefressen, und als das erledigt war, hat sich schon Nummer Zwei angekündigt. Da musste ich nicht mehr helfend eingreifen, das hat sie dann schon selbst besorgt, nur bei Nummer Drei hat sie die Nachgeburt nicht mehr gefressen. Es war ihr wahrscheinlich zu viel. Ja, und da lag die Minkie nun mit drei wunderschönen Katzenbabies, einem schwarzweißen Kater der ein wenig aussah wie ein Pandabär und zwei Mäderln, goldbraun schwarz und weiß, also echte Glückskatzen, und sie sah richtig stolz aus.

Wer niemals so eine junge Katzenfamilie im Haus hatte kann sich auch nicht die permanente Verzückung vorstellen die wir nun ständig mit uns herumtrugen. Die Minkie hatte großes Vertrauen in uns und wir durften ihre Kinder jederzeit in die Hand nehmen und sie von allen Seiten betrachten und streicheln. Aber wenn ein Fremder seinen Kopf in ihr Kinderzimmer steckte, dann hat sie warnend geknurrt und ist mit ihren Kindern übersiedelt. Ich habe sie einige Male suchen müssen, denn sie war sehr erfinderisch im ausfindig machen von geschützten Höhlen. Einmal war es der Kleiderkasten mit den Winterpullovern, einmal im Abstellraum in dem die alten Polster und Decken lagen die wir ja eigentlich nicht mehr brauchten, aber halt auch nicht weggeschmissen haben. Sie hat dafür ihre Babies in den ersten Stock hinaufgetragen, eines nach dem anderen, und musste dann noch fast einen Meter hoch springen um die gewünschte in ihren Augen passende Höhle zu erreichen. In meinen Augen eine Meisterleistung. Eine sehr fürsorgliche Katzenmami war unsere Minkie, obwohl sie doch selber noch nicht einmal ein Jahr alt war. Sie hat ihre Babys geputzt und gesäugt, dass einem das Herz aufgegangen ist beim Zuschauen. Bei dieser Fürsorglichkeit sind die drei Katzenkinder wunderbar gediehen, und haben es sich in unseren Herzen gemütlich gemacht. Der Gedanke auch nur eines davon wieder her zu geben ist also völlig absurd. Sie sind sauber, gesund, munter, verspielt, also völlig unproblematisch. Daisy, Donald und Isis bringen es jeden Morgen zusammen, dass mein Tag mit einem fröhlichen Lachen beginnt. Sei es weil der Donald seinen Kopf in meinen Schlapfen steckt, mit den Hinterpfoten Gas gibt und wie mit einem Auto durch das Badezimmer saust, oder sie sich verstecken und dann meine nackten Füße überfallen, oder die Minkie umschmeicheln, damit sie sie noch ein wenig nuckeln lässt, was ja wirklich ungewöhnlich ist, denn sie sind nun vier Monate alt, und das Internet sagt Katzenkinder sind mit fünf oder sechs Wochen abgestillt. Aber dieses Nuckeln gibt wahrscheinlich noch so ein himmlisches Gefühl der Geborgenheit.

Aber demnächst wird es ein wenig ernster, dann nämlich, wenn wir beim Donald das Organ entfernen lassen müssen, dass sein noch unreifes Katzenhirn bald mit Macho-Hormonen befeuert. Ich will nämlich nicht, dass seine Schwestern das gleiche Schicksal wie ihre Mutter ereilt. Natürlich ist es traurig, dass man der Katzenfruchtbarkeit nicht so einfach freien Lauf lassen kann, aber wir leben ja nicht mehr in freier Wildbahn, unsere Kuscheltiere sind gegen Krankheiten geimpft und haben keine natürlichen Feinde, die ihre Zahl auf ein erträgliches Maß reduzieren würden, außer wilden Autofahrern. Und deshalb muss der Mensch eingreifen, deshalb die Fertilitätskontrolle. Aber ich vertraue darauf, dass er uns diesen Eingriff in sein Leben verzeiht.

Jetzt hab ich halt statt einem „gesunden Bauernkatzerl“ vier gesunde Katzerln, und ich bin damit sehr glücklich und zufrieden.