© Michaela Lipp

 

Gummistiefel

 Wir wohnten am Main. Vom Retztal kam die Retz. Ein kleiner Bach, gespeist von einigen Quellen. Sie hat zwei Orten den Namen gegeben: Retzbach, wo ich aufgewachsen bin und Retzstadt. Dort ist die Ursprungsquelle der Retz.

Die Retz hatte so gut wie nie Hochwasser. Die Mündung in den Main war von ein paar Brücken geprägt: Die Eisenbahn und die der B 27. Die Bundesstraße. Durch den Wellengang der Schifffahrt auf dem Main war immer Flusssand unter der Brücke. Da waren zwei Durchlässe. Einer war mit Sand ziemlich dicht. Nur der zweite war wasserdurchlässig.

Dort marschierten wir immer wieder mal durch. Natürlich nur mit Gummistiefel. Es war ja viel Unrat im Bach und Main. Wir fanden Töpfe und Knochen, Scherben und tote Tiere. Natürlich gibt es Ratten und jede Menge Ungeziefer.

Gummistiefel waren Freizeitschuhe.

Damit ging es auch in die Schule, dort war Haus-Schuh-Pflicht. Zum Schlittenfahren, die Großen vom Bruder mit 2-3 Paar Wollsocken. Die Schulfreunde hatten so extra Einzieh-Gummistiefel-Socken.

Wir hatten keinen Stiefelknecht, also zog ich meine Stiefel mithilfe meines Fußes aus. Ein Druck auf die Ferse half meistens. Der zweite Fuß war dann nass und dreckig. Und das Aus- und Anziehen war sehr oft am Tag.

Meistens hatte ich die billigsten Gummistiefel, die nach kürzester Zeit natürlich im Fersenbereich kaputt waren. Dort kam dann ein Pflaster drauf, aber ich hatte immer nasse Füße.

Naja, der eine Fuß war immer nass.

Und ich wurde immer geschimpft, wenn ich die Schuhe kaputt gemacht hatte. Als ob ich das mit Absicht gemacht hätte.

Näher am Main war dann der alte Treidelweg. Dorthin kam man nur, wenn man über Eisenträger balancierte. Auch da habe ich mir nasse Füße geholt. Ich bin ins Wasser gefallen. Also war ich ganzkörper-Nass.

Auf der anderen Seite des Eisenträgers war ein *Geheimes Land* Wir kämpften uns durch Brennnessel, Kletten und anderes Grünzeug.

Jedes Schiff auf dem Main machte Wellen. Also mussten wir aufpassen, was um uns herum passiert. Schiffe bedeuteten:

Ein Stück den Bahndamm hinauf.

Nass vom Fluss oder verbrannt von den Nesseln.

Aber dafür fanden wir Muscheln und –Schalen. Manchmal Nester und Eier von Wasservögel und natürlich Steine.

Blumen, die ich fand, schöne Blumen brauchte ich nicht mit nach Hause zu bringen. Die waren voller Insekten, die standen nur im Hof in Joghurtbecher.

Aber Steine auch nicht, Muscheln stanken irgendwann.

Die nassen Socken in den Gummistiefeln waren keine begehrte Mitbringsel.

Bei unseren Ausflügen waren die Gummistiefel sehr wichtig.