Honigbrot
Regelmäßig besuchten wir Oma und Opa, die Eltern meines Vaters. Darauf freute ich mich immer. Im Haus wohnten auch meine Tante, ihr Mann und deren Sohn.
Dieser Cousin von mir war ein Einzelkind und bekam von den Großeltern stets viele Bücher zum Lesen. Und genau auf DIE freute ich mich. Hatte ich doch zuhause wenig zu lesen. Kaum hatten wir alle begrüßt, setzte ich mich auf die Eckbank und nahm mir ein Buch nach dem anderen aus der Leseecke. Dann begann ich zu lesen. Es konnte dann um mich herum total viel Wirbel sein, ich las.
Meine Mutter schupste mich an: „Deine Tante hat dich etwas gefragt.“
Ich schaute ratlos zur Tante, die mich scheinbar zum zweiten Mal ansprach: „Magst ein Honigbrot?“
Ich nickte und las weiter. Tante schmierte mir eine handgeschnittene Scheibe von einem Brotlaib mit Butter und Honig ein. Als ich dann, neben dem Lesen, eine halbe Scheibe aufgegessen hatte, sagte die Tante zu mir: „Ich lege dir noch eine halbe Scheibe dazu.“ Ich nickte nur, hatten mich doch die Abenteuer aus den Büchern so gefangen, dass ich mich eigentlich nicht ablenken lassen wollte.
So aß ich mein Brot und las.
Irgendwann sagte ich zur Tante: „Tante, ich bin satt. Dankeschön!“ Da lachten meinen Mutter, meine Oma und Tante. Wieder sah ich ratlos die drei an.
Damals war ich eigentlich ein sehr schlechter Esser. Total dünn.
„Du hast eben fünf ganze Scheiben und eine halbe Scheibe Brot gegessen.
Alle lachten. So hatte mich das Lesen von Büchern nebenher auch satt gemacht.
„So aß ich mein Brot und las.“ – ich finde das als einen der schönsten Sätze in dieser Erzählung.
Liebe Michi, ich find es schön, wie du vertieft bist und nebenbei nichts bemerkst. Also ist doch das Lesen immer wieder eine schöne Ablenkung! Ich weiß es ja auch! Man taucht ein in eine Welt, die man sich mit eigenen Bildern dazu gestaltet. Einfach herrlich. Nur so nebenbei, da bekomm ich Guster auf ein Honigbrot! lg Margit