© by Elisabeth Schöffl-Pöll
Abenteuerlust frisst Lebensfrust
In der Kindheit war ich ein Wildfang. Im Englischen würde man sagen, ich war ein Tomboy. Ein Mädchen also, welches sich nicht immer nach den von der Gesellschaft vorgegebenen Geschlechterrollen hielt. Charaktereigenschaften ändern sich auch im Alter nicht. Schon als Kind streifte ich gerne über die Heidelandschaft des nahen Waldviertels. Die ersten Kirschen auf den Bäumen gehörten mir, auch wenn der Besitzer fluchend hinter mir her war. Ich war von der Idee besessen, eines Tages einen Schatz zu finden, was mich bewog, Zäune aller Art mutig zu übersteigen, um hinter Schlossmauern zu gelangen. Die Leidenschaft hörte auch nicht auf, als ich mir dabei ein von meiner Mutter genähtes grünes Kleid zerriss und sie mich strafend zur Rede stellte. Sie hörte auch nicht auf, als mich eines Tages ein Hund am Eindringen hindern wollte und mich dabei in eine Wange biss. Wie eine Trophäe trug ich die Wunde neben jenen Wunden, die mir ein Autounfall zuzog, den meine Schwester verursacht hatte.
Abenteuerlustig, wie ich war, wollte ich in jener Zeit, in der die Autos für private Personen erst aufkamen, immerfort bei Schwester oder Bruder im Auto sitzen, was zur Folge hatte, dass es zu besagtem schweren Unfall kam. Ich wurde aus dem Seitenfenster geschleudert, und einer der Reifen des sich überschlagenden Autos kam auf meinen Rippen zu stehen.
Meine Abenteuerlust verringerte sich auch in der Jugend keineswegs, ich trieb es auf die Spitze, als ich einmal in einem feudalen Palais, das damals meine Arbeitsstätte war, mit der Zigarette beinahe den Raum mit der geschnitzten Kassettendecke angezündet hätte, wenn nicht ein Mitarbeiter geistesgegenwärtig den brennenden Papierkorb auf den Balkon geworfen hätte.
Es könnten noch unzählige Beispiele dieser Art folgen, aber sie würden den Rahmen sprengen. Den Schatz fand ich erst Jahre später in meinem Mann, in den ich mich unsterblich verliebt hatte. Dieser Schatz begleitet mich jetzt schon 55 Jahre und ist mehr wert als Gut und Geld, zum Glück war es auch ein Abenteurer, als ich ihm begegnete, und ist es Gottseidank bis heute geblieben.