© by Michaela Lipp

Michele bei der Weinlese

Natürlich halfen meine Eltern nicht nur bei der Familie Kuhn, auch bei der Familie Krieger, Nebenerwerbslandwirte mit Wengert, also mit Weingarten.

 Es war im Herbst, der Müller-Thurgau wurde gelesen. Der Silvaner blieb noch ein wenig hängen. Rotwein wurde damals so gut wie gar nicht angebaut. Wir waren seit frühem Morgen im Weinberg. Es war nebelig, sehr kalt und fast noch dunkel. Und es war aufregend, die Natur so zu erwachen zu erleben.

Die Erwachsenen arbeiteten im steilen Gelände. In Franken sind alle Weinberge mit dem Berg von oben nach unten angelegt, nicht in Terrassen, wie in Österreich.

Die paar Männer trugen die vollen Butten auf dem Rücken zum Anhänger, der bereit stand. Die Frauen schnitten die Reben ab. Die älteren Kinder machten uns jüngeren vor, wie wir helfen konnten. So waren wir meistens unterwegs in den Zeilen. Im Sonnenschein hielten wir unsere erste Brotzeit. Da schmeckten das Brot und die selbst gemachte Wurst nochmal so gut. Gegen Mittag, als es wirklich warm war, packten wir alles zusammen und fuhren heim. Fertig waren dieser Weinberg, die Weinernte und Arbeit noch lange nicht.

Zuhause am Hof der Familie erwartete uns nochmal eine warme Mahlzeit, dann gingen oder radelten alle wieder zu sich nach Hause.

Aber während die Erwachsenen noch beim Essen waren, durften wir schnell essende Kinder wieder raus in den Hof. Oben war das Tor zu, so dass wir frei spielen konnten. Da war der Wagen mit den Trauben. Oh, eine Kurbel sah ich dort. Ich konnte wieder an etwas drehen. Was ich dann auch machte, als ich hochgestiegen war. Ich kurbelte in die Richtung, die sich leichter drehen ließ. Spannend, obwohl mal wieder nichts passierte.

Doch da kam der älteste Sohn der Familie schreiend angerannt. Ich sah mich um? Ich? Ich habe doch gar nichts gemacht. Er sprang mit einem großen Schritt auf den Anhänger, der da im Hof ohne Traktor stand, schob mich weg, kurbelte in die andere Richtung. Ich sah ihn erstaunt an. Die Erwachsenen standen oben im Hof, und nur Bernhard hatte erkannt, dass der Wagen auf das Scheunentor zugerollt war und es aus den Angeln drücken wollte. Ich habe doch gar nichts Schlimmes gemacht, oder? Aber ich fing sofort an zu weinen. Ich verstand nicht, was falsch gewesen war. Erst später hat man es mir erklärt. Da weinte ich nochmal.

Alle meinten: „Du bist und bleibst ein Lausmädel, du!“