© by Eveline Buca

… und Eva verlässt das Paradies

(Die etwas andere Geschichte von Adam und Eva)

 

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Freude schöner Götterfunke, Tochter aus Elysium,

wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligtum.

Herzlich willkommen im Elysium, dem Ort der Seligen, dem Paradies in dem die Schlange am Baum der Erkenntnis den Apfel wohlfeil hält. Hier beginnt unsere Geschichte. Wir treffen Adam den ersten aller Männer, den Vater aller Väter. Wir treffen Eva, die erste aller Frauen, die Mutter aller Mütter, sie ist der Ursprung aller Freude am Anfang aller Zeit!

 

Wie müssen wir uns das Leben im Paradies vorstellen?

Sommer, Sonne, glitzerndes Meer. Angenehme Temperaturen, die es erlauben, dass das biblische Paar ohne eine Faser am Körper, die ihre Scham  verdecken würde, lustwandelt. Blumenwiesen in den schönsten Pastellfarben. Urwälder in denen  riesige Bäume mit bunten Früchten um die Gunst der prachtvollen Paradiesvögel werben.  Auch Adam und Eva laben sich an diesen schmackhaften Gaben der Natur. Zudem genießen sie Michl und Honig, die bekanntlich aus unversiegbaren Quellen sprudeln. Gott hat für alles, wirklich alles gesorgt.

 

Mit dem ersten Strahl der Sonne, der die zahlreichen Paradiesvögel zu ihren Morgengesängen animiert, erwachen auch Adam und Eva auf ihrem Nachtlager aus Palmblättern und Rosenblüten. Sie stärken sich mit Milch und Honig und beginnen Hand in Hand mit dem Lustwandeln. Ab und an machen sie Halt,  um die köstlichen Früchte zu genießen, die die Wälder für sie bereithalten. Und so durchwandern  sie das Paradies bis die Sonne sich dem Horizont nähert und die Gesänge der Vögel verstummen. Auf ihrer Wanderung haben Adam und Eva frische Rosenblüten gesammelt, die sie nun  auf ihr Nachtlager streuen, um sich darauf zu betten. Jeden Tag, jede Nacht wird es so sein, bis in alle Ewigkeit. Denn das Paradies kennt keine Zeit, keine Sterblichkeit. Nur die Ewigkeit.

 

Adam ist zufrieden. Er leidet weder Hunger noch Durst, weder Kälte noch Hitze. Er kennt weder Angst noch Mut, weder Liebe noch Hass. Er fühlt weder Trauer noch Freude, weder Scham noch Begierde. Er ahnt nichts von Gut nichts von  Böse, nichts vom Leben, nichts vom Tode. Kennt nicht das Himmelreich, noch die Hölle. Bis in alle Ewigkeit.

Anders Eva. Ihr dauert die Ewigkeit schon viel zu lange. In ihr brennt Sehnsucht nach Neuem, in ihr erwacht Abenteuerlust, sie fasst einen Entschluss.
Am nächsten Morgen verlässt sie das Nachtlager noch vor Sonnenaufgang, noch vor den Morgengesängen der Paradiesvögel. Die Pfade sind durch den ewigen Vollmond gut erhellt und sie kommt ohne zu straucheln voran. Sie will endlich jenen Pfad beschreiten, von dem es heißt, Gott habe verboten ihm zu folgen. Eva eilt sich, sie möchte noch vor Sonnenaufgang wieder zurück bei Adam sein. Es dauert nicht lange und sie erreicht eine große Lichtung, die vom Mond fahl beleuchtet wird. Inmitten der Lichtung wächst ein mächtiger Baum, der schwer an seinen leuchtend roten Früchten trägt. Es sind die prächtigsten aller Früchte, die Eva jemals im Paradies gesehen hat. Mehrmals umrundet sie den wunderbaren Baum, um ihn von allen Seiten zu betrachten. Sie hält an und streckt vorsichtig eine Hand nach dem lockenden  ihr unbekannten Obst aus. Noch bevor sie zugreifen kann, ertönt ein gefährlich anmutendes Zischen. Erschrocken zieht Eva ihre Hand zurück und entdeckt gut getarnt im Laub ein Tier, das sie auch noch nie im Paradies gesehen hat.

„Wer bist du?“, fragt sie das seltsame Tier.

 

„Ich bin die Schlange und ich warte schon die halbe Ewigkeit auf dich, Eva!“

 

„Und wie ist der Name des Baumes, den du bewohnst?“

 

„Es ist der Baum der Erkenntnis!“

 

„Der Baum der Erkenntnis? Sag, du seltsames Tier, was lässt der Baum mich sehen, von dem ich nichts weiß? Was muss ich tun, damit er es mich erkennen lässt? Und wie heißen die Früchte, die der Baum trägt?“

 

„Oh, ich sehe, du bist wissbegierig, das gefällt mir sehr. Aber, ich kann dir nicht von der Erkenntnis erzählen, diese musst du selbst gewinnen! Doch das ist wahrlich nicht schwierig. So greife nach einem der Äpfel, so heißt das wunderbare Obst, beiße kräftig hinein und du wirst wissend!“

 

Die Schlange windet sich geschickt um die Äste und kriecht in die Baumspitze empor.

Eva ruft ihr nach, aber sie ist ihren Blicken schon entschwunden. Das Ende der mächtigen Baumkrone verschwindet im Dunst des erwachenden Morgens. Zaghaft streckt Eva wieder eine Hand nach einem Apfel aus. Noch bevor sie ihn berührt, hält sie inne.

„Nein, nicht ich allein soll wissend werden. Ich möchte gemeinsam mit Adam zu der Erkenntnis gelangen.“

Sie eilt davon und es gelingt ihr, begleitet von den ersten Gesängen der Paradiesvögel, das Nachtlager noch vor Adams Erwachen zu erreichen.

„Adam, mein Lieber“, holt sie den Ruhenden aus seinen Träumen und bestürmt ihn.

„Adam, ich habe eine wunderbare Entdeckung gemacht. Komm mit mir, ich will es dir zeigen!“

Eva zieht Adam ungeduldig mit sich und erzählt ihm auf dem Weg zum Baum der Erkenntnis, was sie erlebt hat.

Adam  bemerkt wohl Evas ungewöhnliches Verhalten. Attribute wie Ungeduld, Eile und Hast sind im Paradies unbekannt, es gibt hierfür keine Namen, es gibt keine Zeit, es gibt nur die Ewigkeit.

Adam wirft ein:

„Gott hat es verboten!“

Doch Eva gibt Adams Hand nicht frei und dieser lässt es geschehen. Schließlich ist es ihm gleich, ob er an diesem oder jenem Ort seine Milch und seinen Honig genießen würde. Und er hat nichts dagegen, eine neue Frucht zu probieren, was immer er dabei erkennen soll.

 

Es dauert nicht lang und das Ziel ist erreicht. Eva verlangsamt ihre Schritte, entlässt Adams Hand und gibt ihm nun den Vortritt. In Adam regt sich etwas, das er nicht zu deuten weiß. Wir würden es Erstaunen nennen. Und der Blick, den er  Eva zuwirft ist zweifelsohne ein fragender.

 

„Ah, ihr seid hier“, zischt die Schlange und zeigt sich.

 

Eva wendet sich der Schlange freudig zu, die bereits vorsorglich einen Apfel gepflückt hat. Adam weicht einige Schritte hinter Eva zurück um das Geschehen aus der Entfernung zu verfolgen.

 

„Seid ihr bereit zu erkennen!“, ruft die Schlange, „all das Gute, all das Böse wird über euch kommen, die Ewigkeit wird der Endlichkeit weichen, das Leben wird eines Tages im Tode enden. Eure guten und eure bösen Taten werden in die Waagschalen gelegt, je nach Neigung erwartet euch sodann die Hölle oder das Himmelreich.

Seid ihr also bereit, dies alles zu erkennen?“

 

„Ja, oh ja!“, ruft Eva, ergreift sowohl den Apfel als auch Adams Hand. Sie führt diese gemeinsam mit dem Apfel zum Mund und muntert ihren paradiesischen Gefährten auf, dasselbe zu tun. Adam, dem alles zu schnell vonstattengeht, folgt gehorsam Evas Impuls und gemeinsam beißen sie in die rote, so süße Frucht.

Gleich steht der Himmel in Flammen, feuerspeiende Berge ringsumher. Glühende Lava ergießt sich ins Meer, färbt die Sturzfluten rot. Ein Wirbel aus Feuer, Wasser, Erde und Luft reißt Adam und Eva mit sich! Sie verlieren die Besinnung!

Eva erwacht zuerst, blinzelt in die Sonne, hebt den Kopf und ihr Blick fällt auf das glitzernde Meer. Sie fühlt, dass nun alles anders sein wird, erhebt sich und lässt ihre neugierigen Augen ihren Körper entlanggleiten. Sie wird sich ihrer Nacktheit bewusst und freut sich. Eva hält Ausschau nach Adam, den sie ein Stück entfernt von ihr noch ohne Bewusstsein entdeckt. Er räkelt sich im Sand und Eva sieht ihm dabei zu. Seine Nacktheit erfreut sie ebenso, wie die ihre und sie lässt ein helles Lachen erklingen. Davon geweckt, betrachtet Adam nun seinerseits Evas und die eigene Nacktheit. Sogleich steigt ihm purpurne Schamröte ins Gesicht und er senkt den Blick. Eva lässt wieder ihr perlendes Lachen hören, läuft zum Meer und ruft:

„Komm, Adam! Lass uns unser neues Leben beginnen!“

Adam, dem abermals alles zu schnell vonstattengeht, folgt Eva dennoch und besteigt mit ihr ein kleines Segelboot, welches wie für sie bereitgestellt am Strand liegt. Der Wind hebt sich, bläht die Segel und langsam setzt sich das Boot in Bewegung. Eva jauchzt vor Vergnügen.

Und Adam? Adam steht der Angstschweiß auf der Stirn. Was soll nun werden, wohin soll das führen, scheint er zu denken. Noch nicht bereit für ein neues Leben springt er, bevor das Boot Fahrt aufnimmt, zurück an den Strand.

„Aber Adam!!!“, ruft Eva ihm nach.

Jener läuft und läuft und blickt sich kein einziges Mal nach Eva um.

 

Eva, zunächst erstaunt, zuckt nach geraumer Weile die Achseln, wendet sich in die Richtung, in die ihr Boot lustig auf den Wellen tanzt und strebt einer ungewissen aber sicher entdeckenswerten Zukunft entgegen.