© by Doris Pikal

Bei unserem Kaufmann

 Als ich noch ein Kind war, bekam man nahezu alles was für den täglichen Bedarf nötig war beim Kaufmann. Die Auswahl war zwar nicht besonders groß, aber sie genügte den Ansprüchen. Neben den Lebensmitteln führte er auch Geschirr und Textilien. Es gab Unterhosen ebenso wie Socken und Arbeitshemden. Man konnte Kaffeehäferln und Teller kaufen wie auch Töpfe, Schüsseln und Besteck. An der Wand gegenüber dem großen Pult gab es neben Wolle, Stoffballen und Garnrollen, auch sämtlichen Nähzubehör sowie Schreibwaren und Hefte für die Schule. Um die Weihnachtszeit wurde es noch ein wenig enger im Geschäft, denn da stellte er auch Geschenkpackungen auf und Christbaumschmuck.

Unser Kaufmann war nicht nur ein fleißiger Mann, er hatte auch Humor und machte Späße mit seinen Kunden.

Meine Mutter war gerade beim Kekse backen. Als sie die Haselnüsse rieb und dabei eine in den Mund steckte, stellte sie fest, dass die Nüsse ranzig geworden waren. Zum Glück hatte sie sie in einen Teller gerieben und nicht gleich auf die Zutaten, die sie schon am Brett vorbereitet hatte.

„Doris, bitte lauf zum Herrn Brezansky und hol mir zwanzig Deka Haselnüsse“ bat mich meine Mutter. Sie drückte mir unser Einkaufsbücherl in die Hand. Darin ließ Mutter alles anschreiben, was wir kauften und jeden Monatsersten bezahlte sie ihre Schulden wieder ab. Das war wohl die Kreditkarte der Vergangenheit.

„Aber beeil dich!“ rief sie mir nach, als ich zur Tür ging. Ich lief die Treppen hinunter und rannte auch noch als ich schon auf der Straße war. Es war nicht weit zu unserem Kaufmann. Die große Auslage neben dem Geschäft war weihnachtlich geschmückt. Ich drückte die Geschäftstüre auf. Wie immer klingelte es, wenn jemand in den Laden eintrat.

Zwei ältere Damen waren im Geschäft. Die eine brauchte ein Fleckputzmittel.

„Stellen Sie sich vor“ erzählte sie dem Kaufmann „Gestern wie ich meine Weihnachtstischdecke auflegen habe wollen habe ich gesehen dass ein großer Fleck auf dem Tischtuch ist. Ich brauche was, damit der Fleck heraus geht!“

Damals war gerade ein neues Wundermittel auf den Markt gekommen. Es versprach den geplagten Hausfrauen Abhilfe mit dem Slogan „Der Fleck geht weg ganz ohne Rand!“

Der Herr Brezansky verschwand kurz im kleinen Lager hinter dem Verkaufsraum und kam mit einer kleinen Tube zurück. An einem kleinen Stück Stoff führte er ihr vor wie man das Produkt anzuwenden hatte.

„Und der Fleck geht wirklich weg?“ fragte sie ungläubig

„Der Fleck geht weg!“ versicherte ihr der gute Mann. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. Mit ernster Miene fügte er hinzu „Nur der Rand bleibt!“

„Das macht nix!“ ereiferte sie sich zu sagen „wenn nur der Fleck weg ist!

Sie hatte seinen Scherz nicht verstanden, so was kommt manches Mal vor.

Er lächelte nur still, aber das verging ihm, als er bei der nächsten Kundin seine Scherze anbringen wollte.

„Brauchen Sie keinen neuen Christbaumschmuck?“ fragte er die Frau.

„Eigentlich nicht“ verneinte sie.

„Schauen Sie einmal, da habe ich ganz tolle, neue Christbaumkugeln“ Er hielt ihr eine Packung hin. Silberne Kugeln mit weißen Schneesternen sah sie hinter der Klarsichtfolie liegen.

„Sie schauen aus wie alle anderen, aber was das Besondere dabei ist—-„Die Kundin streckte ihre Hand danach aus, aber kurz bevor sie den Karton zu fassen kriegte ließ der Kaufmann die Schachtel fallen.

„Huch!“ schrie sie und sprang erschrocken zur Seite.

Der Herr Brezansky lachte. „Das Besondere dabei ist, dass die Kugeln unzerbrechlich sind!“ vollendete er seinen Satz von vorhin.

Die arme Frau stützte sich mit einer Hand auf das Verkaufspult, während sie die andere auf ihren wogenden Busen legte. Sie war wirklich sehr erschrocken und ihr Herzschlag hatte sich durch den Adrenalinstoss verdoppelt. Aber die Vorführung hatte sie tief beeindruckt. Sie hatte fünf Kinder zu Hause und jedes Jahr gingen ein paar Christbaumkugeln kaputt. Vielleicht sollte sie sich doch diese neue Sorte zulegen. Aber sie wollte keine silbernen Kugeln, sondern rote.

„Und die sind wirklich unzerbrechlich?“ fragte sie nach und deutete auf den Karton, den der Kaufmann in der Hand hielt. Er nickte. Da drehte sie sich um zu dem Regal, auf dem der Weihnachtsschmuck stand und nahm eine Schachtel mit den roten Kugeln. Sie wollte nur testen, ob sie auch wirklich nicht kaputt gingen und ließ sie vor den Augen des völlig überraschten Kaufmanns fallen. Nun sprang er zur Seite. Mit einem leisen Klirren schlugen sie am Boden auf und zerschellten in tausend Stücke.

„Ich dachte die sind unzerbrechlich!“ schrie sie aufgebracht.

Der Herr Brezansky machte ein bekümmertes Gesicht und kratzte sich am Kopf.

„Diese nicht!“ sagte er leise.

„Aber Sie haben recht, sie sehen genauso aus wie die anderen!“ rechtfertigte sie sich.

Der Kaufmann war froh, dass nicht mehr Kunden im Geschäft gewesen waren und seiner misslungenen Vorführung beigewohnt hatten. Er nahm sich vor, bei seinem nächsten Scherz ein wenig vorsichtiger zu sein.

 

 

 

                                                                        Doris Pikal