© by Monika Gruber

Karton oder Korb

Vor Jahren legte ich ein eigenes Gartentagebuch an. In unregelmäßigen Abständen trage ich darin gartenrelevantes Geschehen ein und bezugnehmend auf die Küche, wo ich das geerntete Obst und Gemüse auftische. Denn beide gehören bei mir zusammen. Was im Garten gedeiht, kommt als kulinarische Köstlichkeit auf den Tisch.

Hie und da klebe ich Fotos ein, von blühenden Rosen ums Haus, Schmetterlingsbesuchen auf Stauden oder alteingewachsenen Pflanzungen. Manchmal nehme ich mir auch die Zeit, etwas zu malen, das mir am Wegrand begegnet, sei es das zartblaue Blühen von Glockenblumen, die unbeschreibliche Schönheit der Wildrosen oder die Kugelblüte von Schnittlauch.

Fasziniert von Gartentagebüchern schreibe ich öfters mit Tinte. Eine zweiundfünfzig Jahre alte Füllfeder dient mir dazu recht gut, weil sie sogar über eine noch einwandfrei funktionierende Kolbenfunktion verfügt, mit der die Tinte im Inneren angesogen und aufgezogen wird.

Neulich kündigte der Wetterdienst den ersten Schneefall des Herbstes an. Viel zu früh für mich! Im Garten hängen noch Fisolen, am Beet mit den Tomaten könnten die erst halbreifen Früchte bis in den November nachreifen, wenn es frostfrei, mild und warm bliebe, statt mit einem frühen Wintereinbruch daherzukommen. Und der Weinstock! Das heurige Jahr beschenkt mich mit einer reichen Traubenmenge von der jungen Rebe, die ich entlang des Gartenzauns gezogen habe. Ich möchte die Trauben pflücken, bevor sie sich unter einer dicken Schneehaube verstecken.

Gestern Abend nahm ich mein Tagebuch zur Hand, um ein paar Notizen über das Ernten und mein empfundenes Gefühl der Dankbarkeit einzutragen. Mitten im Schreiben fiel mir auf, ich hatte die Fisolen nach dem Pflücken in einen ganz gewöhnlichen Karton gelegt gehabt, um sie ins Haus tragen zu können. Aber wie unromantisch das klingt beim Schreiben, in einem Karton gelegt! Darin steckt kaum die Romantik des Landlebens, wie ich sie selbst gerne in Gartentagebüchern lese. Ich überlegte. Solle ich mich einer kleinen Lüge bedienen im Tagebuch? Den Karton verschweigen, stattdessen vom geflochtenen Korb schreiben, der einen Wohlklang mitsamt poetischen Gedankengängen auszulösen vermag? Nein, lieber nicht von der Wahrheit abrücken, denn das würde mir das Schreibvergnügen verderben.

Doch wenn ich wieder einmal in den Garten gehe, um etwas für den Mittagstisch zu holen, werde ich mich daran erinnern und ich werde mir einen geflochtenen Korb mitnehmen. Nicht nur fürs Tagebuch.