© by Rudolfine Haiderer

Mitternacht

Alles lebt und regt sich…

 

Ein leises Knistern im Gebälk, ein Rascheln und Seufzen, als würde der Turm aufatmend aus einem Traum erwachen, dann greifen rasselnd Gestänge ineinander, ein Schwung, ein Ruck, und der erste Schlag der Turmuhr zerbricht weithin dröhnend die Stille der Nacht.

Alles Lebendige schreckt zusammen. Aufgeregt wechseln die Dohlen ihre Schlafplätze im Sparrenwerk, spähen hinaus in die Finsternis, schütteln das Gefieder.

Eine Katze auf ihrem nächtlichen Streifzug erstarrt in ihrer Bewegung, gelb leuchten die Augen im Dunkel.

Ein Spinnennetz erzittert bei jedem Schlag. Fledermäuse und Nachtfalter flattern verwirrt im Kreis, Blumen duften heftiger.

Der Wind nimmt die Glockenschläge in Wellen mit sich, einen nach dem anderen, und trägt sie fort, laut dröhnend, mahnend. Dumpf prallen sie an Hausmauern ab, überall Aufruhr hinterlassend, Ende einer Ordnung anzeigend. Als die Glocken endlich schweigen, ist alles anders geworden.

Ungerührt stehen die Sterne am samtschwarzen Himmel, aber auch sie haben sich verändert, sind ein Stück weitergewandert, dem Morgen entgegen.