© by Wilhelm Maria Lipp

Samstagsrunde

 

Jeden Samstag trafen sie sich zum Kartenspielen. Preferanzen oder Tarockieren, selten Bauernschnapsen, auf jeden Fall Kartenspielen und ein oder mehrere besondere Gläser leeren und natürlich dazu etwas Gutes essen. Das war ihr Samstagabendprogramm.

 

Sie waren die „Besseren“ im Ort. Der Zuckerbäcker, der Zahnarzt, der Apotheker, also der Herr Magister, und der Baumeister.

An jedem Samstag war einer von ihnen Gastgeber. Das heißt, die jeweilige Gattin war die Gastgeberin, sie musste sich um das Drumherum kümmern. Die vier Männer spielten Karten.

 

Wieder einmal waren sie beim Zuckerbäcker, aßen und tranken gut und viel (das heißt, sie aßen gut und tranken viel) und tarockierten.

Nach einem langen feuchten Spieleabend forderte die Natur ihr Recht. So eilte der Hausherr zur Toilette, öffnete die Tür, kniete sich nieder, steckte den Kopf hinein und gab von sich, was raus wollte.

Er realisierte aber nicht, dass der vorherige Besucher des Örtchens die Klobrille aufgeklappt hatte lassen. In seinen Speikrämpfen passierte es nun dem Konditor, dass diese Klobrille sich über seinen Kopf stülpte und in seinem Nacken landete.

 

Kaum hatte er seine Qualen beendet, wollte er wieder aufstehen, wurde aber von der Klobrille im Nacken daran gehindert. In seinem Rausch wusste er nicht, was los war, und rief seine Frau um Hilfe: „Liebling, hilf mir! Hol die Rettung. Es ist etwas Fürchterliches passiert, ich glaube, ich bin querschnittsgelähmt!“ So oder so ähnlich sollten die unverständlichen Laute bedeuten, die aus der Toilette schallten.

 

Die Kartenrunde eilte herbei und sah den Schlamassel. Dann konnten sie sich vor Lachen nicht mehr halten.

 

Die Zuckerbäckerin befreite ihren Mann aus der Bredouille. Ein gesprächiger Kartenspieler erzählte seiner eigenen Frau von der grotesken Situation. Seither konnte sich der Zuckerbäcker kaum fremder Hilfsangebote erwehren.

 

„Wollen Sie über die Straße? Kann ich helfen? Brauchen Sie einen Stock? Soll ich die Rettung holen? Meine Oma ist verstorben, möchten Sie ihren Rollstuhl probieren?“, waren die noch etwas harmloseren Bemerkungen, die ihm täglich begegneten.