© by Wine van Velzen

 

Die heilige Quelle

 

Im 17. Jahrhundert lebte Juan Ponce mit seiner schönen Tochter Solay auf der Insel Bimini. Eine Legende, die von den Taino-Indianern erzählt wurde, ließ Juan nicht mehr los.

Auf der Insel soll es in einer Höhle eine Quelle geben, die ewiges Leben und Jugend verspricht. Der Plantagenbesitzer war besessen von der Idee, diese Quelle zu finden. Dies erfuhr auch der Wächter der Höhle, in der sich die heilige Quelle befand. Nur der Schamane seines Stammes und der auserwählte Arawak wussten, wo sich die Höhle befand. Arawak würde die heilige Quelle mit seinem Leben beschützen, wenn es notwendig wäre.

Der Hüter beobachte heimlich Juan Ponte, damit er über seine Suchaktionen informiert war. So blieb es nicht aus, dass er auch die schöne Tochter Solay sah. Arawak verliebte sich sofort in die bezaubernde junge Frau, was ihm schlaflose Nächte bescherte. Er wusste, dass er ihr niemals seine Liebe gestehen konnte, zu unterschiedlich waren ihre Kulturen.

Eines Tages versteckte sich Arawak hinter Büschen und beobachtete Solay, wie sie am Fluss stand. Natürlich war sie nicht alleine. Die junge Frau durfte nie alleine das abgesteckte Land, das ihrem Vater gehörte, verlassen. Immer musste eine Wache bei ihr sein, der sie beschützen sollte. So war es auch an jenem Tag.

Arawak beobachtete, wie sich der Seidenschal von Solay löste und in den Fluss flog. Sie griff nach ihm und verlor dabei das Gleichgewicht. Mit einem Aufschrei, der Arawak bis ins Herz traf, stürzte die heimlich Angebetete ins Wasser. Die Wache stand erst unschlüssig da, wusste nicht, was er tun sollte. Da er nicht schwimmen konnte, war es ihm nicht möglich die Herrin zu retten. Er lief hilferufend davon. Bis jemand kommen würde, wäre es zu spät, und Arawak handelte. Er stürzte hinter den Büschen hervor und sprang in den Fluss. Solay ging immer wieder unter, schnappte nach Luft und schlug mit den Armen wild um sich. Ihr Gesicht war vor Angst verzerrt. Arawak schwamm zu ihr, schlang einen Arm um ihre Hüfte und brachte sie zurück zum Ufer.

Schwer atmend legte er Solay auf die Wiese. Sie hustete und spukte Wasser aus, dann sah sie Arawak mit großen Augen an. Ihr Herz klopfte wild, und eine leichte Röte überzog ihr schönes Gesicht. Sie hatte sich in nur einer Sekunde in diesen gutgebauten Indianer verliebt. Stimmen und Rufe, die näher kamen ließen die beiden jungen Menschen auseinanderfahren. Arawak strich der Liebsten über die Wange, lächelte sie an, dann sprang er auf und rannte davon. Er wollte nicht, dass Solays Vater und seine Wachen ihn sahen.

Nach diesem ersten Zusammentreffen, bei dem Arawak Solay das Leben gerettet hatte, trafen sie sich heimlich immer wieder. Die junge Frau schaffte es, ihre Wächter abzuschütteln und wurde immer erfinderischer, ihnen zu entkommen. Arawak und Solay saßen dann hinter Büschen, küssten sich und sprachen miteinander. Eine Zukunft für sie beide würde es nicht geben, dies war dem Liebespaar bewusst, doch die Hoffnung, eines Tages ihre Liebe öffentlich zu machen, starb in ihnen nicht.

Juan Ponce wurde zugetragen, dass seine Tochter sich mit einem Ureinwohner traf, was den Zorn in ihm aufwallen ließ. Mit einem Gewehr in den Händen schlich er seiner Tochter nach, als sie sich wieder einmal davonstahl. Entsetzt sah er mit an, wie ein Ureinwohner mit Lendenschurz seine Tochter umarmte. Wie von Sinnen stürzte er auf das Paar zu und legte dabei das Gewehr an. Er wollte diesen Indianer, der es gewagt hatte Solay zu berühren, auf der Stelle töten. Arawak war so schockiert, als er den Mann sah, dass er sich nicht rührte.

Juan Ponce schoss.

Solay warf sich zwischen den Mann, den sie liebte und der Gewehrkugel. Die traf sie in die Brust, und die junge Frau brach zusammen. Der Vater stand unter Schock, niemals wollte er seine Tochter töten. Wirr und gepeinigt rannte er davon.

Solay verlor viel Blut, und Arawak traf eine Entscheidung. Wollte er das Leben seiner Geliebten retten, musste er sie in die Höhle zur Quelle des Lebens bringen. Obwohl er den Urahnen und Geistern geschworen hatte, niemals ihren Standort zu verraten, hob er Solay auf und brachte sie zur Quelle.

Das heilige Wasser stoppte die Blutung, die Kugel schob sich aus dem Fleisch heraus, und die Wunde schloss sich. Solay schlug die Augen auf, und Arawak dankte der heiligen Quelle. Da sie durch den Blutverlust noch sehr schwach war, bat Solay Arawak, dass er zum Haus ihres Vaters gehen sollte, um ihm zu sagen, dass seine Tochter lebte. Sogleich machte sich der Indianer auf den Weg.

Als Juan Ponce ihn von der Veranda stehend kommen sah, hob er erneut das Gewehr an und schoss. Arawak war auf der Stelle tot.

Als Solay es erfuhr weinte sie bittere Tränen in der Höhle und beschloss, von nun an die Hüterin der heiligen Quelle zu sein. Die Urahnen von Arawak und die Geister nahmen Solay an.

Obwohl der Vater die Insel auf den Kopf stellen ließ, obwohl jeder Stein umgedreht wurde, als er nach seiner Tochter suchen ließ, wurde weder die Höhle mit der heiligen Quelle, noch Solay gefunden.

Solay ist noch heute die Hüterin und manchmal kann man in der Höhle ihr Lachen hören.