© by Silvia Edinger

 

Liebe

Ich war völlig verdutzt, als sich seine gesunde Hand behutsam in Richtung der neben ihm sitzenden Frau bewegte und vorsichtig, als habe er Angst, sie zu verletzen, über ihren Handrücken strich. Die Berührung konnte nicht stärker gewesen sein als der Flügelschlag eines Schmetterlings, und doch löste die Geste ein seliges Lächeln im blassen Gesicht der so beschenkten Frau aus. „Liebe“, das Wort schoss mir in den Kopf und das Bild Michelangelos vom Lebensfunken, den Gott an den Menschen weitergab, als dazugehörige Assoziation.

Eine Szene aus meinen Kreativstunden im Altersheim, die mich so berührte, dass ich sie aufschreiben wollte. Liebe inmitten von Alterselend und Schlaganfall-Tristesse als Wunder, das einem unvermutet begegnet. …