© by Ingrid Krüger

Liebesgschichten und Heiratssachen

Leonie, eine hübsche, blonde Wienerin, gerade einmal 17 geworden, fuhr mit ihren Eltern im VW-Käfer Richtung Italien. Um fünf Uhr früh ging es bereits los, musste doch der Semmering bewältigt werden und Autobahnen gab’s damals auch noch keine.

Am späteren Vormittag passierten sie die Grenzstation Tarvisio und fuhren weiter Richtung Lignano. Inzwischen war es heiß geworden und aus dem Proviantkorb konnte man den etwas eigenen Geruch von gekochten Eiern vernehmen. Es wurde mit offenen Fenstern gefahren.

In Lignano angekommen suchten sie das Haus, in dem sie eine kleine Wohnung reserviert hatten. Fanden es jedoch nicht gleich. Es wurde heiß und heißer. Vater wurde nervös und ärgerlich. Es war um die Mittagszeit und der Ort war wie ausgestorben, daher konnten sie niemanden nach dem Weg fragen. Leonie’s Vorschlag, nicht weiter zu suchen, sondern zuerst einmal baden zu gehen, fanden ihre Eltern prima. Sie schwammen im Meer, verspeisten ihren Proviant unter ihrem mitgebrachten Sonnenschirm und erholten sich langsam von der anstrengenden Fahrt. Danach fanden sie in kürzester Zeit ihr Domizil, genossen die kühle Dusche und ruhten sich aus.

Am Abend gingen sie – im nun sehr belebten – Lignano – spazieren. Laute Stimmen, Lachen und Musik waren zu hören. Sie fanden ein einladendes, kleines Lokal mit Musik und Tanzfläche, umgeben von Pinienbäumen, Hibiskussträuchern, Oleanderbüschen.

Kaum hatten sie sich gesetzt, wurde die Bestellung aufgenommen, und sie bekamen unverzüglich die Getränke, Orangensaft und Vater sein heiß geliebtes Bier. Leonie wurde sogleich zum Tanzen aufgefordert. Er war zwar ein kleiner, aber sehr gut aussehender Italiener. Der benahm sich jedoch so blöd, dass sie ihn einfach mitten auf der Tanzfläche stehen ließ und zum Tisch zurückkehrte. Mit einem derart lächerlichen Zappelphilip wollte sie absolut nicht tanzen. Danach wurde sie zum Tanzen herumgereicht, kam kaum zum Sitzen. Alle anderen jungen Männer waren einfach nett, alberten auch ein bisschen herum. Es machte ihr Spaß.

In einer Musikpause kam ein junger Mann zu ihrem Tisch, den sie zuvor noch nicht gesehen hatte. Er stellte sich vor und fragte ihre Eltern, ob er sich dazusetzen dürfe. Sie hatten nichts dagegen. Er hieß Valerian, konnte sehr gut Deutsch, und es kam zu einer netten, lockeren Plauderei. Währenddessen betrachtete ihn Leonie genauer. Er war gut aussehend, groß, schlank, natürlich schwarzhaarig, hatte schöne dunkelbraune Augen, ein bezauberndes Lächeln und war zwei Jahre älter als sie. Er wohnte in unmittelbarer Nähe ihres Urlaubsdomizils.

Als die Musik wieder einsetzte, tanzte sie mit ihm, sowie den Rest des Abends. Ein ruhiger, sanfter, angenehmer Typ. Sie mochte ihn. Ab diesem Abend freute sie sich jeden Tag darauf, ihn wieder zu sehen. Von Abend zu Abend bemerkte sie, dass seine dunklen Augen immer mehr strahlten, seine Stimme sanfter wurde und seine Hände sich irgendwie weicher anfühlten. Nach einigen Abenden nahm er sie beim Tanzen zärtlich in seine Arme und drückte sie ganz sanft an sich. Mmmm, tat das gut! Leonie fühlte sich unglaublich wohl, und da war auch so ein Kribbeln in ihr. Sie dachte: „Ich werd‘ doch nicht? Oder doch!“ Der Funke war übergesprungen, sie hatte sich in ihn verliebt. Dass sie das Gleiche wie er empfand, war so offensichtlich, denn es brachte ihn dazu, sie noch mehr anzustrahlen.

Tja, es waren drei wunderschöne Wochen, aber dann war der Urlaub zu Ende.

Verabschiedung – Schmerz – winke, winke,

Liebeskummer

 

Ein Jahr verging – Urlaubszeit – Anfang Juni  – drei Wochen Lignano

Wiederholung? Ja!

Selbes Domizil, selbes Lokal und Valerian.

 

Die Wiedersehensfreude war kaum zu übertreffen. Seine Umarmung war so zärtlich und innig, als wäre inzwischen nicht ein ganzes Jahr vergangen.

Beim abendlichen Tanzen sahen sie sich tief in die Augen, die um die Wette strahlten. Dann Wange an Wange und immer enger, ihr wurde heiß, die Gefühle, diese Gefühle, welch eine Wonne! Sie konnte spüren, dass es ihm genauso ging und er es ebenso genoss.

Leonie konnte nicht einschlafen und fragte sich, war es im Vorjahr nur ein Flirt? Oder nicht? War es vielleicht doch die viel zitierte Liebe auf den ersten Blick? Was ist es jetzt? Flirt oder Liebe?

Sie war so aufgewühlt, dass sie die halbe Nacht nicht schlafen konnte. Irgendwann schlief sie doch. Aber nicht lange. Lautes Schreien „Peschtschi, Peschtschi“ (ital. Pesci) riss sie aus dem Schlaf. Die Uhr zeigte 4.30 Uhr Früh. Der Schreier war ein Fischer, der seine frisch gefangenen Fische anbot.

Verdammt, wer um Himmelswillen will um diese Zeit denn schon Fisch? Ein Weiterschlafen war nicht mehr möglich, und so dämmerte sie noch zwei Stunden dahin.

Der nächster Abend kam, wieder tanzen. Valerians heimliche Küsse auf ihren Hals und ihre Wange elektrisierten sie. Ihre Eltern sollten aber davon nichts bemerken. (Was ihnen sicher ohnehin nicht entging.)

Nach ein paar Tagen machten sie abends zu viert eine Schiffsrundfahrt. Ihrer Mutter wurde durch den leichten Seegang schwindelig und übel. Leonie nicht. Nach elterlicher Erlaubnis ging sie mit Valerian vom Oberdeck hinunter zum Heck des Schiffes, um die Gischt zu betrachten. Niemand da, endlich alleine, Gischt egal, innige Umarmung, endlich küssen, küssen, küssen! Sie vergaßen Zeit und Raum, merkten nicht, dass Leonies Vater hinter ihnen stand. Er tippte ihr auf die Schulter, blinzelte ihr mit einem Lächeln zu und entfernte sich wortlos. Nach einer (kurzen?) Weile gingen die beiden wieder zurück nach oben.

Als das Schiff wieder im Hafen angelegt hatte, gingen sie gemeinsam zurück zu ihren Wohnungen. Vor seinem zu Hause sagte Valerian, dass sie kurz auf ihn warten sollten und er gleich wieder komme. Er gab Leonies Mutter ein Glas mit grässlich aussehenden blau-grünen Gurkerln, mit dem Hinweis, sie solle sofort das halbe Glas und den Rest am nächsten Tag vor dem Frühstück essen. Es würde bei leichter Seekrankheit helfen. Mutter war zwar äußerst skeptisch, befolgte dennoch seinen Rat und würgte alles hinunter. Es half tatsächlich.

Drei Tage vor der Heimreise sagte Valerian zu Leonies Eltern, dass er sie seiner Familie vorstellen wolle, weil er Leonie liebe und heiraten möchte. Sein Elternhaus war beeindruckend groß. Eingerichtet mit Stilmöbeln, alle Böden mit Terrakotta gefliest, Lampen aus Muranoglas, nahezu perfekt. Alles strahlte aber weder Wärme noch Gemütlichkeit aus, es fühlte sich kalt an. Die Begeisterung der Familie über Leonie hielt sich auch in Grenzen.

Am nächsten Abend erzählte ihr Valerian beim Tanzen, dass ihn ihre Mutter besuchte und ihm erklärte, dass sie einer Heirat keinesfalls zustimmen würde.

Na toll, hat sie sich einfach davongeschlichen ohne dass es Leonie bemerkte. Sie fragte sich, warum Mutter mit ihr nicht darüber gesprochen hatte und wurde ziemlich wütend.

Na gut dachte sie, was sie kann, kann ich auch. Sie flüsterte Valerian beim Tanzen ins Ohr: „Um Mitternacht am Strand?“ Er nickte.

Es war für Leonie ein Leichtes ungehört und ungesehen aus dem Fenster zu steigen. Sie ging Richtung Strand, ihr Herz klopfte wie verrückt. Als sie sich sehen konnten, liefen sie aufeinander zu und umarmten sich stürmisch. Valerian nahm sie hoch und drehte sich mit ihr im Kreis. Dann ließen sie sich einfach in den Sand fallen. Leonie zitterte vor Freude und Erregung. Er streichelte sie ganz sanft, zog ihr die ohnehin spärliche Kleidung aus. Streichelte weiter und küsste ganz zärtlich von den Füßen beginnend ihren ganzen Körper. Es folgte ein inniges aneinander Schmiegen, intensives, leidenschaftliches Küssen. Ihre Atmungen gingen schneller, ihre Körper wurden heißer und die Lust immer größer, bis es kein Halten mehr gab.

 

Tja, es waren drei wunderschöne Wochen, aber dann war der Urlaub zu Ende.

Verabschiedung – Schmerz – winke, winke.

Liebeskummer

 

Kitschig? Mag sein.

Für Leonie sicher nicht, war es doch ihre erste große Liebe und denkt sie auch noch nach über 50 Jahren gerne an ihren liebenswerten Italiener – Valerian.