© by Michael Hatzenbichler

Mechanische Liebe

Als ich in jüngeren Jahren das Buch „Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten“ aus dem Jahr 1974 von Robert M. Pirsig las, stieg in mir eine Erinnerung an meine frühe Kindheit hoch, die ich bis heute in meinem Gedächtnis bewahre. In dem Buch geht es um eine Reise des Autors mit seinem schwierigen Sohn am Rücksitz eines alten Motorrades durch den Nordwesten der USA. Es ist ein sehr philosophisches und menschlich ergreifendes Werk über die Verbundenheit der Dinge und Menschen untereinander. Wichtige Grundbegriffe dabei sind „Qualität“ und „Dynamik“ im Gegensatz zu einer dualistischen Weltsicht, die die Dinge getrennt voneinander betrachtet! Meine Geschichte könnte ebenso von diesen Dingen handeln, obwohl ich es damals natürlich noch nicht wissen konnte:

Ich muss so um die 5 Jahre alt gewesen sein, meine Eltern und ich wohnten in einem Nebengebäude meines Onkels, eines reichen Bauern. Das Dorf, wie ich es nannte, denn es existiert nicht mehr, bestand aus 4 Bauernhöfen, der Hof meines Onkels war der größte im Ort. Wir wohnten damals im ersten Stock eines langgezogenen Nebengebäudes, das im Erdgeschoss einen Schweinestall und eine Werkstätte beherbergte. Ein Balkon mit einem hölzernen Geländer an der Außenseite des Gebäudes und einem Treppenaufgang verband die zwei Wohnungen im Obergeschoss. Von dort konnte man den ganzen Hof übersehen, es war wie eine wunderbare Aussichtsplattform für mich und die Kinder aus der anderen Wohnung.

Da stand ich nun, im Sommer, bekleidet mit meiner unersetzlichen, den ganzen Sommer über getragenen Tiger- Badehose vor der Wohnungstüre und hielt einen mechanischen Teil in meinen Händen, es muss ein weggeworfener Vergaser eines Mopeds oder Motorrades gewesen sein. Das Teil, das ich irgendwo in der Werkstätte gefunden hatte, hatte es mir seltsamerweise angetan, obwohl ich natürlich nicht wusste, was es war. Ein geheimnisvolles metallenes Gehäuse, grau glänzend mit einer Klappe, die ich hin und her bewegen konnte, verschloss eine Öffnung in das Innere des Teils und machte das ganze erst so lebendig und dynamisch. Ich hatte mich völlig verliebt in diesen mechanischen Teil, als hätte ich etwas seltsam Wertvolles in Händen. Ein schwer zu beschreibendes Gefühl der inneren Verbundenheit mit der ganzen Welt und ihren lebendigen und auch toten Bestandteilen bemächtigte sich meiner, am Abend versteckte ich das Ding unter meinem Bett, damit ich es am nächsten Tag wieder in Händen halten und damit spielen konnte. Ich habe im Laufe meines weiteren Lebens nie wieder eine solche innere Einigkeit mit allen Dingen erlebt wie damals als kleiner Bub.

Ich schreibe diese Geschichte auch mit wehmütiger Erinnerung an meine kleine Welt im Dorf, das es in dieser Form leider nicht mehr gibt, aber meine Erinnerungen leben noch und je älter ich werde, umso mehr kommen die alten Dinge wieder zum Vorschein.