© by Michaela Lipp

Mein erster Kuss

 

Ich hatte ich Deutschland einige Schulfreundinnen. Eine davon war Anette. Anette wuchs in einem kleinen Dorf auf. Das hatte damals um die 300 Einwohner vielleicht. Jetzt sind es 530 laut Wikipedia.

Die Dorfjugend feierte Fasching immer sehr … hm … exzessiv. Feuchtfröhlich. Und einmal durfte ich mitfeiern.

Anette holte mich mit einem Mann aus dem Dorf, der als Taxifahrer fungierte, ab. Mit uns fuhr auch Harald, Anettes Cousin. Alle mussten meinen Eltern versprechen, dass ich um 22.00 Uhr wieder zuhause bin. Ich war doch erst 13 Jahre jung. Gottseidank verlangte mein Vater keinen Personalausweis von ihnen.

Die Strecke nach Duttenbrunn war sehr kurvenreich. Zehn Kilometer, die quer durch den Wald gingen. Wir brauchten dazu gute fünfzehn Minuten, und ich fühlte mich durchgeschüttelt. Aber es war noch hell, noch nicht spät am Abend, und wir hatten noch viel Spaß vor uns.

Wir kamen an der Party-Lokation an. Ein Stall, am Ortsrand, notdürftig verkleidet. Die Wände waren mit Stoff und Stroh abgedichtet. An einer Seite war eine Art Theke aus Bierkisten mit einem Holzbrett obendrauf. Die Beleuchtung war notdürftig, und es war dunkel. Rund herum waren Matratzen und Sofas. Sauber war es sicherlich nicht, aber das sah ja sowieso keiner. Nur wenn jemand durch die Türe hereinkam, sah man Staub und Rauch herumfliegen. In der Mitte stand ein alter Holzofen, der gerade angeschürt wurde. Der Raum war noch kalt, aber der Ofen verströmte bald eine Hitze, die im Laufe der nächsten Zeit immer intensiver wurde. Es war dröhnend laut. Die Musik aus den riesigen Boxen war aus der Zeit. Der harte Rhythmus der Rockmusik ließ die Herzen im gleichen Beat schlagen.

Queen und Skorpions, Status Quo und Village People mit V.M.C.A. A Heart of Glass von Blondie, Born tob e alive von Patrik Hernandes und von M- Pop-Music. Und natürlich Kiss. Die meisten Jungs hatten sich nach den Vorbildern der Stars von Kiss geschminkt und streckten ihre Zungen um die Wette heraus.

Dann geschah es:

Ich saß auf einem alten Sessel, trank eine Cola und rauchte meine Zigarette, die ich im Strumpf von zuhause mitgebracht hatte. Einen dämlichen Geschmack hatte ich im Mund. War Rauchen echt so cool, wie alle tun?

Jetzt hatte ich schon drei oder vier Zigaretten in meinem Leben geraucht, aber es brannte immer noch auf der Zunge. Immerzu musste ich husten. Wo hier wohl die Toilette war?

Anette zog mich hoch, wir tanzen miteinander, so wurde es uns langsam warm. Ich sang inzwischen mit, es wurde immer lustiger und feuchtfröhlicher. Die jungen Menschen tranken und tanzten ausgelassen, und ich war mittendrinnen. Cool. Irgendwann saß ich mit einem jungen fremden Mann in einer Ecke, und wir knutschten. Mein Gott, wie war ich aufgeregt. Erst Küsse auf den Mund, wie ich es schon kannte. Dann aber hatte er den Mund offen und schob mir seine Zunge zwischen die Lippen. Er schmeckte nach Alkohol. Bäh. Aber es kam noch schlimmer, er bewegte seine Zunge vor und zurück. Sein Unterkiefer ging im gleichen Rhythmus hoch und runter. Was sollte ich jetzt tun? So wie er? Ich versuchte es selbst, die Zunge vor und zurückzuschieben und den Kiefer zu öffnen, aber das war irgendwie kontraproduktiv. Er hielt mich am Hinterkopf fest. Also sollte ich stillhalten. Bier, Whiskey, Schnaps. Ich hatte alle möglichen beziehungsweise alle unmöglichen Geschmäcker im Mund.

Ah, jetzt war mir klar, warum ich so gerne Pfefferminzbonbons lutschte und schmeckte. Nun ja, es war nicht geil für mich, Nein, ganz und gar nicht, Ich öffnete die Augen.

Panisch vor Angst, dass ich jetzt ersticke, suchte ich den Raum nach bekannten Gesichtern ab. War irgendetwas in meiner Cola gewesen? Mir war plötzlich ganz schlecht. Harald war auf einmal an meiner Seite und zog mich am Arm hoch. „Tanz mit mir!“ Er rettete mich vor dem frühzeitigen Erstickungstot. Er war zurückhaltend und sehr freundlich zu mir, tanzte nur, ohne mich zu bedrängen. Einmal sah ich noch meinen *ERSTKÜSSER*. Er knutschte mit einer anderen. Und er hatte die Hand unter ihrem T-Shirt. Dann sagte Harald in mein Ohr: „Wir müssen los, deine Eltern machen uns sonst Ärger.“ Sein Kumpel hatte extra fast nichts getrunken, um mich gut heimzubringen. Harald küsste mich zum Abschied im Auto. Auch mit der Zunge, aber das war *augenverdreh* so, wie ich es mir gewünscht hatte.

Leider war es uns nicht vergönnt, zusammen zu bleiben. Wir hatten immer das Problem, dass keine Öffis fuhren, so bekamen wir beide bald andere Partner. Aber dieser zweite –erste Kuss- war sehr besonders.