© by Gernot Stadler

Die Moosingers
(frei nach G.Apo Stadler)

 Das Schloss hat schon bessere Zeiten erlebt. Moos überzieht Burggraben, Zugbrücke, Burgtor, Mauern und Zinnen.

 Der König ist verarmt. Er hat kein Moos um dringend notwendige Renovierungsarbeiten durchführen zu lassen. Das Gesinde wurde stark reduziert, ein Teil in Kurzarbeit geschickt. Seine Hoheit hat eine Tochter, keine männlichen Nachkommen. Der einzige Ausweg wäre, die Prinzessin gut zu verheiraten. Statt der nötigen Mitgift könnte der künftige Gemahl das Schloss übernehmen. Obwohl ….. diesen alten Kasten renovieren kostet wahrscheinlich mehr, als ein neues zu bauen.

 Die Königin hält sich aus der Diskussion heraus. Sie ist das Übel, hat durch ihre Verschwendungssucht einen Hauptteil der Schuld am Niedergang der Moosingers. Am wenigsten zu beneiden ist Prinzessin Kunigunde. Seit Jahren wartet sie vergeblich auf ihren Prinzen. Als sie klein war, redete die Zofe ihr ein, sie müsse einen Frosch küssen, um den Prinzen zu erlösen. Tage, Monate, nein Jahre sitzt sie schon am Brunnenrand und probiert all ihre Kusstechniken an den Fröschen. Vom flüchtigen Wangen- bis zum Zwickerbussi und Zungenkuss war alles dabei. So kommt auch Prinzessin Kunigunde in die Jahre. Die Falten werden tiefer, der Busen schlaffer und schlaffer. Ohne Kosmetik, Yoga und Massage wäre es noch schlimmer um sie bestellt.

 Die Königin steht am Erkerfenster und beobachtet ihre Stieftochter.  Kunigundes leibliche Mutter hat bereits seit langem das Zeitliche gesegnet. Wir haben eine Esserin zu viel, sinniert sie. Wie könnte man sie beseitigen ohne in Verdacht zu geraten?

 Zur selben Zeit findet in der nahe gelegenen Stadt ein Krämermarkt statt. Die Köchin schickt den Stallburschen los, um Zitronen zu besorgen.

Als er zurückkommt und den Korb leert, entpuppt sich eine dieser Früchte als Frosch. Die Königin weiß vorerst nicht, dass es sich um den Zitronen gelben Blattsteiger handelt und bemüht WIKIPEDIA. Dort steht, dass es sich um den giftigsten Frosch handelt. Mit seinem Hautgift werden von Indianern die Pfeilspitzen präpariert. Ist dieser Frosch länger in Gefangenschaft, verliert er die Gefährlichkeit. Die Königin beschließt, schnell zu handeln und den Findling noch in derselben Nacht am Brunnen auszusetzen. Kunigunde, die Kusswütige, würde bei diesem Prachtexemplar sofort einen Prinzen vermuten.

 Gesagt, getan! Am nächsten Morgen stockt der Prinzessin der Atem, als sie diesen wunderschönen Frosch sieht. Es sollte ein besonders sinnlicher Kuss werden. Sie nähert sich dem Brunnenrand und im selben Augenblick, als sie das Tier hoch heben will, ertönt ein lauter Schrei. Die Königin, die alles beobachtet hatte, lehnte sich zu weit vor und verlor das Gleichgewicht. Sie landet mit ihrem Allerwertesten im Gebüsch. Genau dort, wo man sich der Notdurft entledigt.

 Prinzessin Kunigunde läuft zu Hilfe und der Frosch, der sich seines Opfers schon sicher war, schaut durch die Finger. Vor Wut beißt er sich in den Schenkel und vergiftet sich selbst, klassisches Suizid.

 Ob sich das Geschlecht der Moosingers aus der finanziellen Misere retten kann, lässt der Chronist offen.

 Nota bene, jeder ist seines Glückes Schmied!