© by Karin Ch. Taferner

zeitgleich

Meine Uhr schlägt sieben Mal, die deine nur einmal. Die Zeit ist dieselbe. Der Monitor ist an, die Leinwand leuchtet, die Kamera läuft.

Kein Licht, das Publikum um mich herum. Ich im öffentlichen Raum. Klagenfurt. Grüne Vorhänge hängen vor deinem Fenster, du allein in deiner Wohnung. New York. Zeitgleich.

Wir sind verabredet, verabredet zum Tanz. Ich kenne dich nur als Abbild auf der Leinwand.

Ich weiß, du schwarz. So hocken wir am Boden. Meine Hand wippt, der Körper dreht sich, windet sich. Deine Hand wippt, dreht sich. Ich konzentriert, den Bodenkontakt nicht zu verlieren, du konzentriert vor einem Spiegel, der nicht gehorcht.

Meine Haare hochgeklammert, deinen Pferdeschwanz hält ein schwarzes Band. So bewegen wir uns wie durch den luftleeren Raum. Mit der Zeitlupe wippt der Körper im Nebel. Zeitgleich.

New York steht auf. Und immer wieder wippen wir im Rhythmus des Atems, setzen jeden Schritt mit Bedacht, alle Muskeln sind angespannt. Körper drehen sich, Hände werden zu Fühlern. Du gehst vor der Linse auf und ab, gehst auf mich zu wie ein Roboter mit roten Lippen.

In deinen schwarzen Turnschuhen mit Knieschützern wirkst du wie eine Fechterin mit blau lackierten Nägeln und wanderst aus dem Bild. Ich suche dich mit klar lackierten Nägeln, hinter der Leinwand und werde zum Schatten. Hinter dem Bild, wo die Farbe keinen Zutritt hat.

Jetzt bist du wieder da. Menschliche Nähe macht groß. Dein Kopf so groß auf der Leinwand als könnte ich an deiner Nase hinaufklettern. Heb deine Hand, ich schmiege mich hinein, in deine ganze Hand will ich mich legen. Ich spüre die Vorsicht mit der du mich zu streicheln versuchst, ich lege meine kleine Hand in deine große. Für das Publikum. Ich spüre nur das Leinen, gewebte Fäden auf meinen Fingerkuppen.

Zeitgleich wollen wir durch die Leinwand steigen in ein gemeinsames Sein. Und doch können wir nicht durch die Welten diffundieren, müssen erkennen: ich bin da, du bist dort. Zeitgleich.

Langsam sinkt die Leinwand zu Boden. Ich kann dich nicht halten. Du bist weg, obwohl du nie da warst. Das Licht geht aus. Ich bin allein mit all denen, die mich anstarren und auf meine Reaktion warten.