© by Elisabeth Hafner

MOTHERTONGUE

Fließend weich fällt ein Bogen weißes Papier – an beiden Seiten des Bügels – zu Boden und breitet sich vor dem Publikum aus. Licht fällt in der schwarzen Lounge der Theaterhalle 11 nur auf das weiße, papierene Band. Die tanzende Künstlerin schüttelt Farbpigmente in eine Schale, ihre Mundhöhle ist der Wasserspeicher, ihr Körper wird zum Schreibstift.

Barfuß das Papierband betretend, führt sie die Schale zum Mund und nimmt etwas Farbe auf. Mit ihrer Zunge malt Sara Lanner die Botschaft in Großbuchstaben: MOTHERTONGUE. Konzentriert und ganz bei sich spannt sie ihren Körper in den Dienst des Schreibstiftes ein, sie steht vor dem Papier, sie kniet, sie hockt sich hin, sie liegt und rollt. Geschmeidig und gelassen wie eine Gepardin sucht sie, ihre Worte klar auf das Papier zu zeichnen. Wie eine Gepardenmutter, die ihre Jungen mit der Zunge liebkost, streicht und pflegt, so zärtlich übersetzt ihre Zunge die Muttersprachenworte für uns.

Vierzig Minuten lang buchstabiert, punktet und liniert die Zunge das Papier, einen Raum der Stille und Zentriertheit erwirkend. Sara Lanner berührt auch in uns einen inneren, intimen Raum. Einen Raum, zu dem, so scheint es, wir den Schlüssel schon verlegt haben und ihn dank dieser intensiven und berührenden Performance wieder aufgefunden haben könnten. MOTHERTONGUE.