© by Wilhelm Maria Lipp
Es wird nass
Trooooooopf platsch
Trooooooopf platsch
Trooooooopf platsch
Trooooooopf platsch
Endlich kann ich wieder Zeichen geben. Meistens werd ich ja fest zugedreht, aber manchmal, ja manchmal sind die herumhuschenden Wesen nett zu mir und lassen mir ein wenig Spielraum, so wie jetzt.
Trooooooopf platsch
Ist ja echt komisch. Erst werd ich an der Wand so fest montiert, dass ich richtig eingesperrt bin. Hab keine Freiheiten mehr, keinen Kontakt zu meinen Brüdern und Schwestern, mit denen ich einstens zugleich geschaffen worden bin, keinen Ausblick mehr auf wechselnde Umwelt. NEIN, ich bin gefangen – angehängt – und meistens zum Schweigen verurteilt.
Nur gerade jetzt eben nicht.
Trooooooopf platsch
Als ich gemerkt hab, dass das Wesen nachlässig war, hab ich rasch die Luft (ich mein natürlich das Wasser) angehalten, bis es weg war, dieses herumhuschende Wesen mit dem wehenden Schmuck oben, der sich bei jeder Bewegung an den Körper anschmiegt und gleich wieder wegfliegt. Ist eigentlich ganz schön anzuschauen, diese fließende Bewegung, die wellenartig um das Wesen herumgeht, wenn es sich bewegt.
Bei mir fließt nur (Entschuldigung, nicht nur, sondern Gott sei Dank) Wasser und auch nur dann, wenn ich es rauslasse. Tröpfchenweise rauslasse.
Trooooooopf platsch
Trooooopf platsch
Trooopf platsch
Ja, es geht schon schneller. Die Dichtung hat etwas nachgelassen –man kann auch sagen, ich hab meinen Mund etwas mehr geöffnet. Dann rinnt das Wasser rascher ab und tropft in das Becken darunter.
Trooopf platsch
Trooopf platsch
Manchmal bin ich so was von froh, wenn ich tropfen darf. Unter mir versammelt sich doch immer wieder eine Menge übel riechender, schmutziger Gegenstände. Teller, Töpfe, Tassen – da tropfe ich gerne darauf, da geht damit ein wenig der Gestank weg. – Aber heute tropf ich aus Vergnügen. So habe ich ein wenig Abwechslung in meinem Gefängnis. Gefängnis, ja das ist das richtige Wort dafür!
Tropf platsch, tropf platsch, tropf platsch,
Wer genau zuhört, merkt, dass ich eine Melodie tropfe. Ein wenig kann ich das alles ja steuern, je nachdem, wie das Wesen mich abgedreht hat oder nicht.
Manchmal glaubt es, es wäre alles richtig abgedreht, aber ich habe doch lange Gefängnis Erfahrung, dann warte ich eben ein Stündchen oder mehr und beginn erst dann singend zu tropfen.
Tropf platsch tropf platsch
Einmal habe ich eine ganze Periode der Dunkelheit durch gesungen. Es war herrlich. Erst dachte ich, ich hätte einen Tinitus, weil ich mein Platschen doppelt hörte, dann merkte ich, dass der Raum unter mir abgesperrt war – unkontrolliert abgesperrt, man stelle sich das einmal vor. Die Wesen sagen dazu zugepfropft oder zugestoppelt.
Das war eine herrliche Gelegenheit, mich so richtig in die Gemeinschaft einzubringen. Die lange Periode der Dunkelheit tropfte und platschte ich vor mich hin und in dieser ganzen Zeit kam niemand, der mich zudrehte, abstellte.
Kaum war die dunkle Zeit vorbei, war es aus.
Ein Schrei ging durchs Gefängnis. Er brüllte, obwohl alle anderen noch still waren: „So eine Schweinerei! Wer hat denn die Küche unter Wasser gesetzt?“
Das war dumm von mir, das werd ich nicht mehr tun, denn nur eine kurze Zeit später kam ein Gefängniswärter mit einem Universalschlüssel. Er zerlegte mich, nahm den Dichtstoff raus und montierte eine neue Dichtung. Lange konnte ich nicht mehr Wasser lassen. Sicher über ein Jahr in der Zeitrechnung der Wesen hat niemand auf das feste Abdrehen vergessen.
Tropf platsch tropf platsch
Aber jetzt beginnt es von neuem, jetzt habe ich endlich wieder ein wenig Freiheit, kann ich mich wieder in die Stille der Räume einbringen und diese Stille durchdringen.
Troooooooooopf, platsch
Aber halt, was war das? Das war nicht ich. Ist da jemand? Noch ein Gefangener? Moment, ich werde antworten:
Troooopf platsch
Troooopf platsch
Troooopf platsch
Tropf platsch
Tropf platsch
Tropf platsch
Troooopf platsch
Troooopf platsch
Troooopf platsch
Das ist das SOS unter uns Gefangenen.
Troooooooooopf, platsch
Troooooooooopf, platsch
Ja, da ist noch jemand. Endlich! Ich bin nicht mehr allein. Nun muss ich überlegen, wie wir unsere Erfahrungen austauschen können, einen tropf-platsch-Code entwickeln. Schließlich möchte ich doch meinen Partner im Irgendwo auf der anderen Seite der Tür vor dem Schlüsselmann warnen, schließlich möchte ich noch lange dieses vertraute
Troooooooooopf, platsch von ihm hören.
Oder? War das Trooooooopf nicht besonders weich? Ist es eine Sie???? Oh, ich bin aufgeregt. Wie schön, plötzlich zu entdecken, man ist nicht der einzige seiner Art in dieser Welt. Herrlich! Muss mich beherrschen, um nicht aufzufallen, damit auch ich noch möglichst lange mit meinem neuen Freund oder meiner neuen Freundin Kontakt halten kann.
Ja, ich hab Angst vorm Schlüssel, der mich stumm schaltet.
Trooooopf platsch
Trooooooooopf platsch
Troooooooooooopf platsch
Trooooooooooooooooooooooooopf.