© by Wilhelm Maria Lipp

Zirkus im Dorf

 

Große Aufregung machte sich bei unseren Kindern breit, ein Zirkus kam ins Dorf. Na ja, für uns Erwachsene war es ein eher kleiner Zirkus. Am Parkplatz zwischen Schule und Friedhof wurde das Zirkuszelt aufgebaut. Daneben standen ein paar Wägen mit Tieren.

Tiere waren auch die Attraktionen des kleinen Wanderzirkusses, Tiere und natürlich der Clown. 

Die Kinder durften auf den Tieren Runden entlang des Randes der Manege reiten. Begonnen wurde mit einem Bernhardiner, dann mit Ziegen, einem Esel und Pferden. Und immer wurden den Tieren Menschenkinder auf den Rücken gesetzt. Je größer das Reittier war, umso mehr Kinder hatten Platz. Zum Schluss musste ein Kamel als Reittier herhalten. Da es ein kleines Zirkuszelt in unserem Dorf war, hatten bald alle willigen anwesenden Kinder eine Runde reiten können.

Nun suchte der Herr der Manege eine mutige Mutti, die sich aufs Kamel setzen sollte. Mein Sitzplatz war eine Reihe hinter meiner Ehefrau und meinen Kindern. Sie sah nicht, dass ich mit beiden Händen auf sie deutete und dem Dompteur vermittelte, Nehmt sie! Nehmt sie!

Sie aber verweigerte, trotz mehrfacher Aufforderung des Zirkusmenschen, der meine Gesten richtig gedeutet hatte. So wurden andere Muttis auf das Kamel gehievt und durften ein paar Runden durch die Manege reiten, bewundert und angefeuert von ihren Kindern.

Aber danach wurde ein sportlicher Vati gesucht. Das Dumme war nun, dass ich zuvor so mutig gewesen war und meine Frau auf dem Kamel sehen hatte wollen. Nun musste ich mich stellen. Es waren bloß zwei Männer im Rondell, ein übermäßig voluminöser Gastwirt und eben ich.

Also stellte ich mich der Aufforderung und ging hinunter. Allen Menschen bisher war beim Aufsitzen auf die Tiere geholfen worden, jetzt aber hieß es, ein sportlicher Vati erklimmt das Kamel alleine.

Was sollte ich tun? Ich überlegte mir, ich werde das Kamel umrennen, nahm Anlauf und stürmte in vollstem Lauf auf die Breitseite des Tieres. Es blieb aber stocksteif stehen, als ob es mich nicht gegeben hätte. Trotz meines Gewichtes, trotz des Schwungs, den ich durch den Anlauf aufgebaut hatte, war es, als ob es nicht berührt worden wäre. Mir allerdings erging es anders.

Durch den Anlauf an den Kamelbauch, auf den ich mich mit all meinem Gewicht gestürzt hatte, spürte ich einen starken Schmerz in meiner Brust.

Nun wurde mir eine Leiter gebracht, mit der ich auf den Rücken des Kamels klettern konnte. Danach ritt ich drei Runden durch die Manege, achtete darauf, nicht herunter zu fallen und versuchte den stechenden Schmerz zu vergessen. Dann aber hieß es absteigen. Dafür wurde die Leiter gespart, ich musste ohne Hilfe hinunter gleiten.

Nach der Vorstellung brachte ich mit dem Auto meine Familie heim und ließ sie aussteigen. Meine Frau wunderte sich noch, warum ich im Auto sitzen blieb, da sagte ich ihr, dass ich ins Krankenhaus fahren werde, weil ich mich verletzt hatte.

Im Spital wurde ich geröntgt, danach vom Arzt betastet. „Da krachen ja drei Rippen!“, meinte der Doktor, „wie ist denn das passiert?“

„Ich bin an ein Kamel angerannt!“, hörte er von mir.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich an. Na ja, er war doch Doktor im Krankenhaus Krems und nicht in Nordafrika, wie sollte ich da an ein Kamel kommen? Oder dachte er, ob ich getrunken hätte? Schließlich ist Krems mitten im Weinbaugebiet mit vielen Möglichkeiten, Alkohol zu bekommen. Oder überlegte er ernsthaft, dass das Krankenhaus auch eine Psychiatrie hat?

Rasch erklärte ich ihm, dass ein Wanderzirkus in der Nähe Station macht.

Mit einem sehr breiten Brustgürtel und dem Auftrag, mich zu schonen wurde ich nach Hause entlassen. Bei gebrochenen Rippen gibt es keinen Gipsverband.

 

So unterschiedlich achten die Menschen aufeinander. Meine Frau hatte es nicht bemerkt, dass mich Scherzen quälten, aber andere Frauen, mit denen ich im Chor singe, fragten mich bei der nächsten Probe, ob ich mir beim Anlauf auf das Kamel wehgetan hätte. Denen war aufgefallen, dass es mir nicht gut gegangen war.