© by Anita Krenn

Begegnung – Die Fremde

Ich betrete den Raum, es ist laut. Viele verschiedene Gesichter, viele Stimmen. Sitzt mein Haar? Ich zupfe an meiner Kleidung. Ich merke Blicke, wie sie mich mustern und, ohne mich zu kennen, schon ihr Urteil schmieden.

Wohlfühlen kann man das nicht nennen. Mein erster Weg ist durch die Menge zum WC. Luft schnappen, ausatmen. Ich versuche von all den Gedanken der Anderen und wie sie lauten könnten, loszulassen. Ein Blick in den Spiegel. Ich suche mich. Hinter dem zu dick aufgetragenen Make-Up finde ich aber nur einen verunsicherten Schatten meiner selbst. Egal. Ich spreche dem Schatten Mut zu und trete wieder durch die Tür zu den Blicken, die schon wieder auf jemand anderen gerichtet sind, der bei der Eingangstür hereingetreten ist.

Ich suche nach Gesichtern, die ich kenne. Ich konnte es noch nie leiden, alleine wo hinzugehen. Ich steuere auf die Bar zu, dränge mich durch. Keiner denkt nur daran auszuweichen. Warum auch. Ich bestelle ein Getränk bei einer abwesend wirkenden Kellnerin. Angespannt suche ich den erforderlichen Betrag zusammen. „Danke“. Ich warte auf ein Lächeln, aber es kommt nicht. Schon steht sie beim nächsten Gast. Von der Seite rempelt mich ein gutaussehender Mann an. Ich spüre wie sich der stark riechende Whisky in seinem Glas durch den Ruck über meinem Arm entleert. Ich dreh mich zur Seite, schaue ihn an. Er zückt kurz die Schultern und drängt in der Menge davon. In mir rumort es. Ich fühle mich unbeachtet, unwichtig, traurig. Ja, allein unter so vielen Menschen.

Begegnung – Der Vertraute

Ich betrete den Raum. Außer dem Wind, der die Vorhänge tanzend herumflattern lässt, vernehme ich nichts. Nichts, außer Ruhe.

Ich spüre, du bist schon längst hier. Du hast auf mich gewartet. Schon viel zu lange, aber das lässt du dir nicht anmerken. Meine Haare sind nicht gemacht, und was ich anhabe, spielt keine Rolle. Dein Blick ist gütig, und ohne Wenn und Aber vernehme ich „Es ist gut.“

Ich sinke schwer und voller Last in den beim Fenster stehenden Ohrensessel.

Er fängt mich nicht auf, aber Du. Deine Wärme umgibt mich. Alle Sorgen scheinen jetzt so beiläufig. Ich kann dir alles erzählen. Du hörst zu, ohne mir nur einen Hauch Verdammnis entgegen zu bringen. Tränen fließen, dann wieder ein Lachen der Erleichterung. Warum hab ich nur so lang gewartet zu dir zu kommen. Leise sprichst du mir Worte des Lebens zu. Sie landen direkt auf dem noch viel zu harten Boden meines Herzens. Alles lockert sich, der harte Boden, meine Schultern, mein verkrampfter Magen. Eine angenehme Schwere kommt auf mich. Ich kann und will nicht mehr aufstehen. Einatmen, versinken in der bedingungslosen Liebe, die du schenkst. Ich werde geliebt, ich bin angenommen und angekommen. Ich muss nichts mehr sagen. Ich höre nur zu und genieße diese kostbare Zeit mit dir allein. Ein Lächeln von dir reicht. Es reicht für die Ewigkeit.

Draußen klingelt das Telefon. Es ist Zeit zu gehen, auch wenn ich noch nicht will. Ich nehme mir vor, so schnell wie möglich wieder zu kommen, um in deiner Nähe zu sein. Ich stehe auf, verlasse den Raum. Ich fühle mich so wohl und leicht, fast schwebend. Die anfängliche drückende Last hab ich bei dir gelassen. Ich kann wieder ehrlich sagen, das Leben ist schön… weil ich dich habe, dich kenne.

Und Dankbarkeit begleitet mich durch den Tag.