© Michaela Lipp

 

Es war in der siebenten Klasse in der Hauptschule. In Österreich entspricht das der dritten Hauptschulklasse. Wir sollten eine Beschreibung verfassen. Zuvor übten wir schon mal eine übers Kochen, jetzt ging es um das Reifen wechseln bei einem Auto. Unser Lehrer, ein junger Mann, war ein sehr praktisch veranlagter Mensch. Er fuhr seine Ente (Citroen 2CV) auf den Schulvorhof und erklärte uns den Vorgang beim Reifen wechseln. Ich fand das spannend, vielleicht weil ich diesen Lehrer damals angehimmelt habe. Dann wurden Stichpunkte gemacht, und wir mussten im Klassenzimmer den Text schreiben.

Klasse, dieser Lehrer war der erste und einzige, der meine Schreibarbeit zu würdigen wusste. Zwei Tage später, jeder von uns hatte seinen Text korrigiert zurückbekommen, sollte das theoretisch Erarbeitete zur praktischen Ausführung gebracht werden.

Die Jungs waren mit Feuereifer dabei. Oskar war der schnellste, ein relativ praktisch denkender Junge von einem Bauernhof. Unser Lehrer lachte verschmitzt und fragte in die Runde von uns Mädels: „Na, wer traut sich jemand, gegen Oskar anzutreten?“

Ich ging grinsend nach vorne. Alle lachten, das würde spannend werden. Sie wussten, dass ich keine Angst vor Dreck hatte. Der Lehrer stoppte die Zeit. Erst arbeitete Oskar, dann ich. Ich wusste, ich MUSS schneller sein. Ich pumpte, drehte, kurbelte, verdrehte den Reifen in die richtige Richtung. Beim Autoaufbocken hatte ich mir schon die Fingerknöchel blutig gehauen. Aua, das brannte, aber Aufgeben war bei mir nicht drin! Ich musste nur noch das Auto mit dem Wagenheber runterkurbeln. Meine Zeit wurde immer knapper. Da stand ich auf und trat gegen den Wagenheber. Plopp, die Ente stand da, und ich hatte gewonnen. Nur mein Lehrer funkelte mich etwas an. Er hatte bestimmt Angst um seine Ente gehabt.