© Michaela Lipp

 

Als ich vor gut sieben Jahren nach Österreich kam, hatte ich viele Begegnungen.

Da waren mal die neue Verwandtschaft (naja, die es mal werden sollte) und natürlich Willis Freunde, Arbeitskollegen und der Chor. Aber alles der Reihe nach. 

Zuerst einmal war das Kennenlernen mit Willi. Wir schrieben ja schon jahrelang miteinander, kannten uns aber irgendwie trotzdem nicht. Er hat wollte mich persönlich kennen lernen, und ich sagte zu. Nun wollten wir uns in Regensburg in einem Hotel treffen. Obwohl mir eine Zeit zuvor etwas, sagen wir mal, Saudummes passiert war, sagte ich zu.

Es war ein Freitag, und ich wollte direkt nach der Arbeit los. Ich war also um 3 Uhr 30 aufgestanden, hatte meine Schicht in der Bäckerei hinter mir gebracht und wollte wirklich pünktlich los. Da meinte mein Vorgesetzter, ich müsse eine Stunde länger dableiben. Ich war fix und fertig, aber eine andere Kollegin, die zuvor nie viel mit mir geredet hatte, hat mich einfach abgelöst und heimgeschickt. Ja, ein paar Tage zuvor hatten wir noch über ihren Schwager geredet, der vom gleichen Dorf war, wie ich. Sie hatte ihm geholfen, einen Alkohol- Entzug zu beginnen, was aber mit einer Einweisung zu tun hatte. Und ich habe ihr gesagt: „Schön, dass ihr euch kümmert, wenn es sonst keiner tut.“ Ja, mir ist das mit den seelischen Problemen nicht fremd. Und so ist diese Frau für mich eingesprungen.

Ich fuhr schnell nach Hause, duschen, eine Mütze auf die nassen Haare und tanken. Eine SMS an Willi, dass ich pünktlich loskomme, jetzt los auf die Autobahn. Ich hatte mein Navi programmiert und fuhr direkt zum Hotel. Am Parkplatz wartete ich auf ihn. Ins Hotel traute ich mich nicht. Hotels sind mir als Alleinstehende nicht so ganz geheuer. Es war ein Freitag. Das Wetter war noch sonnig vorher gesagt, aber wer weiß schon, wie es tatsächlich wird. Das Telefon klingelte, Willi war dran: „Michaela, ich habe ein Problem.“ Oh je, mein Herz fiel in die Hose, fällt das Wochenende ins Wasser, muss ich gleich heimfahren? Tausend Ängste und negative Gedanken schossen mir in meinen Kopf, durch mein Hirn. Aber dann sagte ich tapfer: „Hat es nicht geklappt, bist du noch zuhause?“ „Nein, nein, ich bin in Regensburg, aber hier sind so viele Baustellen, ich finde das Hotel nicht. Und keiner kennt die Straße, wo ich hin will.“

„Willi, schau dich um, wo du stehst, und ich hole dich dort ab. Mit dem Navi geht das bestimmt.“ Er lachte auf und sagte: „Stell dir vor, ich bin in der Micheler Straße“ Ich tippte es ins Navi ein und sagte dann: „ In zehn Minuten bin ich, laut Navi, bei dir. Bleib irgendwo stehen, ich werde dich schon finden.“

Mein Herz klopfte bis zum Hals und ich war sehr aufgeregt.

„Wie wird Willi tatsächlich sein? Er hat mir ja schon Bilder von sich gezeigt, von seiner Familie, seinen Kindern und dem Enkel. Ich weiß, er ist groß. Er hat einen Bart, er hat einen schönen Dialekt und eine tolle Stimme. Die klingt immer wie eine Umarmung. Ich muss aufpassen, dass nichts passiert, wenn meine Gedanken so abschweifen.“

Immer näher kam die besagte Straße, immer aufgeregter wurde ich. War ich doch schon auf der Fahrt hierher sehr aufgeregt gewesen, so wurde es jetzt noch schlimmer. Fast drei Stunden war ich schon unterwegs gewesen, und jetzt dauerte es nur noch ein paar Minuten.

Ich zitterte ein wenig, die letzte Kurve, mein Navi sagte: „Sie haben ihr Ziel erreicht.“ Ich schaute mich um, da stand ein Riese auf der Straße und winket mir. Das war Willi. Er hatte einen freien Parkplatz für mich und half mir beim Einparken. Das kannte ich nicht so, in Deutschland, naja in Franken hatte das noch nie jemand für mich freiwillig gemacht. Er öffnete die Türe, als ich den Motor abstellte, und ich stieg aus. Er hörte bestimmt mein Herz klopfen. Er sah bestimmt, wie mein Blut durch meinen Körper raste, die Adern müssen lila zu sehen gewesen sein.

Ich konnte nicht cool sein, stieg aus und sah Willi das erste Mal. Auge in Auge, wobei ich mich strecken musste dabei. Er ist groß, das wusste ich, aber so groß? Wow, was für ein Mann. Ich umarmte ihn und zog ihn zu mir herunter, einen Kuss musste er abbekommen, jetzt sofort. Er schmeckte gut, er roch gut, er fühlte sich gut an. Sein Bart kitzelte mich, und ich würde mich am liebsten in Willi reinkuscheln.

Immer schon war ich irgendwie selbstbewusst nach außen hin, konnte alles alleine, machte alles alleine. Auf einmal ist da jemand und ich darf loslassen. Es war ein Gefühl, das fremd war. Beschützend. Aber das sollte alles später noch viel stärker kommen.

Dann gingen wir ein Stück spazieren, einen Weg entlang, nicht in der Stadt, wir waren am Stadtrand. Es war grün und viel Natur. Wir hatten unsere Fotoapparate dabei und jeder machte ein paar Bilder, aber eigentlich machten unsere Herzen Bilder vom anderen, glaube ich. Mir ging es jedenfalls so.

Später fuhren wir ins Hotel, hatten ein schönes Wochenende. Der Anfang von etwas ganz Großem!