© by Sabine Iber

Wie du da liegst, so stumm, mit einem entspannten Lächeln auf deinen Lippen, den Kopf, beinahe lässig nach rechts geneigt, in deinem Stresemann, mit dem du mich vor den Traualtar geführt hast, nicht ohne kurz vor dem Betreten der Kirche ein verschmitztes „Wenn du willst, können wir noch in der Kutsche abhauen“ loszulassen, deine Hände auf ungewohnt merkwürdige Weise ineinander gelegt, soll wohl betend sein, aber ich habe dich so nie beten sehen, vielleicht war das Falsche an dem Bild aber auch die bunten, geschmacklosen Rosen, die sie dir da willkürlich in die Hände geklemmt haben…

Die haben doch Dornen….

alles war falsch

die ganze Situation

der Raum

die Tatsache

dieser Kloss im Hals

diese tiefschwarze Leere im Herz

diese bescheuerten Lorbeerbäume, die um dich herum drapiert wurden, als müssten sie die Distanz wahren.

 

Du warst nicht der erste, aber der mir wichtigste, neben deinem Vater, der ein Jahr vorher ging.

Vor einer Woche haben wir uns noch umarmt, zärtlich, sehr behutsam, denn dein Körper war schon so zerbrechlich, du hast uns einen schönen Urlaub gewünscht und ja, ich war froh mit meiner kleinen Familie für zwei Wochen aus diesem traurig bewussten Alltag mit dem täglichen Schwert des Damokles zu entfliehen…deinen Schmerz nicht zu sehen, so zu tun, als wäre die Welt in bester Ordnung….wie unter einer bösen Vorausahnung genossen wir die gemeinsame Woche, in dieser heiligen Familienkonstellation so innig und intensiv….

 

Der Anruf beendete alles.

 

Wie wir so schnell einen Rückflug bekommen haben, die mitleidigen Blicke in der Hotellobby, der letzte tunesische Sonnenuntergang, symbolträchtig, die Formation unzähliger Vögel vor rotem Himmel auf ihrem Heimflug, die endlos lange Taxifahrt auf staubiger Straße, Kamele, was hatten die mit meiner Lage zu tun, wie sie da gemächlich in ihrem Passgang am Auto entlangstreiften…surreal

der passende Begriff für diese Lebenssituation

„Tut mir leid, der ist schon in der Pathologie“, man kann nicht einfach seinen geliebten Vater sehen… nein, schon weggeräumt… ich erinnere mich an das irritierte Gesicht des Bestatters, als er die weggeräumten Bäume sah, aber er sagte nichts… außer, dass es jetzt Zeit wäre, den Sarg zu schließen…

 

Wer bestimmt, wann es Zeit ist? Wo war der Stuhl? Auf den ich mich die nächsten Stunden, Tage, hätte setzen können, um mit dir zu reden, dir vom Urlaub erzählen, Geschichten von deiner über alles geliebten Enkelin, wie sie das ganze Hotel mit ihrer erfrischenden Unbekümmertheit unterhalten hat, deine kalten Wangen immer wieder küssen und über deine wunderschönen Hände, die das Ännchen von Tharau jedes Mal virtuos wie ein Konzertpianist bis zu genau der immer gleichen Stelle und dann nicht einen Akkord weiter, spielen konnten, streicheln können, solange bis es genug war…. und die Rosen mit den Dornen aus deinen Händen nehmen können… wir haben keine angemessene Verabschiedungskultur die letzte Begegnung war viel zu kurz.

Aber die lebenden Momente überdauern ewig, stärker und bleiben als warme Erinnerungen.

 

Alles war falsch