© by Reinhard Schwarz

„Und sie?“

Wie Fred Großmaul einfuhr

 

 Nein, nicht schon wieder, denkt Susi. Aber es hilft nicht: „Ich brauche dringend noch ein Kilo Mehl und Staubzucker für deine Geburtstagstorte!“

Mutters Stimme dringt durch das ganze Haus. Keinen Winkel gibt es, den sie nicht erreicht, so sehr es sich Susi auch wünscht. Einkaufen! Ausgerechnet! Gerade das hasst sie wie die Pest.

„Hat die werte Frau Mutter noch etwas aufgetragen?“ Die pickende Süßigkeit in der Stimme des alten Krämers ist ihr zutiefst zuwider. Als ob sie selber nichts einkaufen könnte, sondern immer nur die Anordnungen der Mutter zu erfüllen hätte! Schon oft hat sie ihm in Tagträumen ihre Meinung gesagt, aber sie weiß, dass sie es nie wirklich tun wird. Naja, hoffentlich ist er heute einmal nicht da!

Seufzend schlurft Susi durch den Gang und schiebt sich in die Küche. Die Mutter werkt mit teigigen Händen neben dem Herd herum. „Tu endlich weiter!“, schimpft sie. „Jaaa…“

Schweigend nimmt Susi den Einkaufskorb mit dem drin liegenden Geldbörsel und verlässt das Haus. Hoffentlich treffe ich niemanden, denkt sie, die fragen dann immer alles Mögliche, was ich nicht weiß, und dann halten sie mich für blöd…

Im Geschäft sind nur wenige Kunden. Drüben bei den Textilien steht der widerliche Fred Großmaul und wühlt zwischen den T-Shirts. Klar, denkt Susi, der braucht wieder was zum Angeben. Hoffentlich sieht er mich nicht, sonst fragt er mich mit seiner lauten Stimme, ob denn mein Leiberl schon ein alter Römer getragen hätte oder so ähnlich. Das sind seine Lieblingssprüche. Und trotzdem rennen ihm einige Mädchen aus der anderen Klasse ständig nach. Unverständlich!

Rasch hat Susi gefunden, was sie braucht. An der Kasse sitzt wirklich der alte Krämer. Seufzend verlangsamt sie ihren Schritt und überlegt ein paar schneidige Antworten, die sie ihm ohnedies nicht sagen wird. Da stößt sie plötzlich jemand von hinten unsanft beiseite und ruft: „He, aus dem Weg, du Schneckenpost! Ich hab´s eilig!“ Und Fred Großmaul eilt hoch erhobenen Hauptes zur Kasse.

Der alte Krämer hat die Szene beobachtet. Er sitzt da und rührt sich nicht, als Fred seine Sachen auf das Förderband wirft, sondern schaut ihn nur abwartend an. „Na, was ist?“, fragt Fred. „Ich hab meine Zeit nicht gestohlen!“

„So“, meint der Krämer bedächtig, „und sie?“ Dabei weist er mit dem Kinn auf Susi.

„Ach die…“, beginnt Fred, unterbricht aber, als er dem Blick des alten Mannes begegnet. Er schlenkert eine Weile mit seinen Armen, dann meint er betont gleichgültig: „Na gut, bitte, junge Dame!“, und tritt einen Schritt zurück. Zu einem Lächeln reicht es nicht.

„Danke“, murmelt Susi, zahlt und geht nachdenklich heim, voll Bewunderung für den alten Krämer, der das Großmaul auch ohne viele Worte kleingekriegt hat…