© by Wilhelm Maria Lipp

Am Grab der  M U T T E R

 Unter Qual und Schmerz hast Du mich geboren,
hast meinen Hunger gestillt, mir die Tränen getrocknet,
mir Kleidung gegeben, die Windeln gewechselt,
in Deinen Armen fand ich Schutz und Trost.

 Du warst bei mir, wenn ich mit Fieber im Bette lag,
hast mich in die Schule geleitet am ersten Tag.
Du hast mit mir auch gelernt, oft nächtelang.
Fieberte ich, warst Du bei mir. Gott sei Dank,

 Wie oft habe ich Dich enttäuscht, ja verletzt,
dir Kummer bereitet und Sorgen zuletzt.
Gütig hast Du mir immer vergeben,
verzichtet hast Du auf Vieles im Leben.

 Jetzt bin ich Vater und denk‘ oft an Dich,
So wie Du zu sein, ist viel zu schwer für mich,
Ich hab‘ Dir nie so richtig gedankt,
wie selbstverständlich hab‘ ich Deine Liebe verlangt.

 Hier bin ich nun, Dir Dank zu sagen,
für Deine Mühen, für Deine Plagen,
für Deine Geduld, für Deine Zeit.
Ich glaube, ich versteh‘ es erst heut‘.

 Dein Körper liegt zwei Meter tief unten hier.
Du aber bist seither für immer bei mir.
Du hörst mir geduldig zu, Dich kann ich fragen,
was mich auch bewegt, Dir kann ich alles sagen,
Mutter.

 Dafür dank ich Dir hier!  M U T T E R