© by Ingrid Krüger

Der Stein des Anstoßes

 Ein befreundetes Ehepaar lud meinen Mann und mich zum Mittagessen in ein elegantes Restaurant in Baden bei Wien. Es war Anfang September und noch relativ warm. 

Als wir uns dem, auf der Strecke befindlichen Ort Breitenfurt näherten, sahen wir im Vorbeifahren eine „wilde Deponie“. Dort lag ganz oben auf dem Schutthaufen eine wunderschöne, große, dicke Granit-Steinplatte. Wir waren davon so angetan, dass wir beschlossen, sie uns genauer anzusehen. 

Bei der Rückfahrt setzten wir unser Vorhaben um. Wir betrachteten die örtlichen Gegebenheiten und die Steinplatte genauer (Größe 80 x 120 x 20 cm, Gewicht ca. 700 kg).  Die Oberseite war sehr schön glatt geschliffen, ihr fehlte nichts, sie war vollkommen intakt. Die wollten wir unbedingt haben! 

Wir beeilten uns sehr, um nach Hause zu kommen, uns eiligst umzuziehen, entsprechende Werkzeuge, Pfosten, Seilzug etc. auf die VW-Pritsche zu laden. 

Als wir zur „Deponie“ einfahren wollten – es hatte dort inzwischen stark geregnet – blieben wir beinahe stecken, die Räder drehten sich durch. Nein! Nur das nicht! Bis die Nässe aufgetrocknet ist, wollten wir nicht warten. Kann ja länger dauern. Dass uns jemand die Platte vor der Nase wegschnappt, wollten wir nicht riskieren. Es war stellenweise ziemlich tiefgrundig und matschig, aber mit Schwung und Vollgas schafften wir es doch.

Wir packten das Werkzeug aus und machten uns an die Arbeit. Zuerst musste das Ding von dem Schutthaufen mittels Brecheisen, herunter geschafft werden. Dann wurde der Pfosten an die Ladefläche angelegt, der Stein mit der Kette umwunden und der Seilzug angehängt. Ich stieg auf die Ladefläche und betätigte den Seilzug. Anfangs ging es etwas langsam, aber dann immer flotter. Durch den Regen und die nun scheinende Sonne war es sehr schwül und wir schwitzten schon gewaltig.

Den Mann, der auf einmal da stand bemerkten wie erst, als er uns wütend anherrschte „das hier ist keine Deponie und das Abladen von Müll verboten“! Wir erwiderten, dass wir nicht ab- sondern aufladen. Da überblickte er erst die Lage, sah wie wir schwitzten und meinte mit einem entschuldigenden Lächeln und einigem Kopfschütteln: „Ok, ich kann es sehen, ich glaube ihnen“. Er konnte wohl nicht verstehen, dass sich wir zwei Idioten die Mühe machten, dieses Monstrum aufzuladen. Bevor er ging, sagte er auf einmal: „Sie können nicht zufällig noch irgendetwas von dem Haufen brauchen? Nein? Schade“! Und entfernte sich mit: „macht’s gut“! 

Etwa ein Drittel der Steinplatte hing bereits schräg über der Ladefläche. Es wurde für mich immer mühsamer den Seilzug zu betätigen, bis ich es auch mit größter Kraftanstrengung nicht mehr schaffte. Mein Mann meinte liebevoll: „Stö‘ di‘ ned so aun, waunn a‘ üba da Kipp’n is, geht’s wieda leichta“! Ich antwortete, dass es für mich aber einfach nicht mehr zu schaffen ist. Sein rotes Gesicht wurde noch röter, er seufzte, knurrte und stieg zu mir auf die Ladefläche. Er probierte es selbst und schaffte mit größter Mühe gerade mal einen kleinen Ruck. Dann schnippte er mit seinem Finger am Seil und man hörte mit hellem Klang „Dinngggg“, so gespannt war es. Sein Kommentar: „ A‘ jo, des geht wiaklich nimma“. 

Er suchte den Grund und betrachtete die Sache genauer, um feststellen zu müssen, dass es sein Fehler war. Er hatte nämlich den Haken des Seilzuges auf der Unterseite der Steinplatte in die Kette eingehängt. Was zur Folge hatte, dass sich der Haken „innigst“ an die Bodenplatte der Ladefläche des Autos „schmiegte“. Diese war bereits V-förmig aufgebogen. 

Nachdem das eigentliche Ziel war, die Steinplatte aufzuladen und nicht das Auto zu demolieren, war klar, die Platte langsam hinunterrutschen zu lassen, um den Vorgang zu wiederholen. 

Zu unserer großen Freude ging es dieses Mal problemlos.

Aus dieser schönen Granitplatte wurde, mit entsprechendem Unterbau, ein Tisch in unserem Garten.