© by Reinhard Schwarz

Granit-Saga

(Ein Zierstein für einen Brunnen wird an seinen Bestimmungsort gebracht)

 Es lag dereinst ein grauer Stein
seit vielen Jahrmillionen
und Kraut und Moos und manch Getier
tat friedlich auf ihm wohnen.

 Doch dann wars mit der Ruh vorbei,
ein Menschenaug tat blitzen,
beseelt nur von dem einen Wunsch:
Das Kleinod zu besitzen.

 Zum ersten Mal in seinem Sein,
da ging der Stein auf Reisen.
Ins ferne Viertel übern Strom…
Das „Wie“ sollt sich noch weisen.

 Denn seine Stätte ist geplant,
wohin kein Rad kann dringen,
und nur allein des Menschen Kraft
wird ihn dorthin nicht bringen.

 Doch sieh, es naht ein Ungetüm,
das macht kein Federlesen,
es lupft den Stein ganz einfach auf,
als wärs ein Federwesen.

 Der Stein fühlt sich zuerst nicht wohl,
es ist ihm nicht geheuer.
Doch dann besieht er gerne sich
von oben das Gemäuer.

 Ja, ja, ihr Brüder in der Wand,
so denkt er ganz zufrieden,
welch seltsam Los ist doch zur Stund
auf einmal mir beschieden.

 Beneidet hab ich euch zuvor,
gemeint, ich wär geringer,
weil ich mit euch nicht konnte mit,
sah traurig durch die Finger.

 Doch jetzt seh ich auf euch hinab,
nur kurze Augenblicke,
dann werd ich gerne fügen mich
in künftige Geschicke.

 Der Stein, er schwebt jetzt in die Luft,
als hätt er keine Schwere
und überquert des Daches First
an drahtgebundner Fähre.

 Und dann erblickt er, schaudernd schier,
wo er wird künftig wohnen:
In einem Zirkel, prächtig schön –
das wird die Müh wohl lohnen!

 Und ganz allmählich naht er sich,
besieht genau die Stätte ,
und nimmt gelassen dann Besitz
von seinem künftgen Bette.

 Das ist zugleich ein Sitz, ein Thron,
voll blumig bunter Zierde.
Man sieht den Stein schon an dem Platz
voll freudiger Begierde..

 Schon bald wird murmelnd plätschernd Nass
den Fels herunterrinnen,
nachdem es erst gepumpt durchquert
das kühle Herz von innen.

 So möge dieser Stein ab nun
der Stätte Los begleiten,
Erbauung sein und Freude auch
bis hin ans End der Zeiten!