© by Eva Novotny

Der beste Vater der Welt
(Vatertag 1988)

 Nach einer geglückten Amsel – und Blaumeisenaufzucht sprach sich unser Erfolg herum, und so brachte uns eine Schulfreundin unserer Tochter Gudrun ein Spatzenbabyduo in einem Sockennest.

Die Vögel, die sie im Garten gefunden hatte, tschilpten laut, aber ihre Schnäbel wollten sie nicht aufmachen. Mit Mühe öffneten wir sie, die Vogelbabys in der Hand haltend und stopften Futter in die Kehlen. Sie schrien nach den Eltern und wollten keine Ersatzeltern.

Auf der Suche nach den Eltern flogen sie torkelnd auf, landeten am Boden und huschten unter die leider noch fehlende Blende der neuen Spülmaschine. Anstatt wieder hervorzukommen, verschwanden sie immer tiefer hinter den Bodenblenden der Küchenkasterln.

Der Vater wurde herbeigerufen, baute also die Spülmaschine aus, doch die Spatzen saßen im hintersten Winkel des Verbaues und wollten nicht hervor.

So wurde händisch abgewaschen und die Ausreißer wurden gelockt, aber sie kamen nicht. Schließlich wurde es still und ich befürchtete das Ärgste. Wir waren alle traurig, und ich hatte mich bereits abgefunden, dass die zwei da unten verhungern würden, wenn sie nicht bald hervorkämen.

Als Gudrun von der Schule heim kam, war ihre erste Frage: „Was ist mit den Spatzen los?“ Ich antwortete: „Sei nicht traurig, die sind gestorben!“ Da tschilpte es plötzlich laut, als hätten sie mich verstanden. Das Piepsen kam aus einem ganz anderen Eck, unter dem Unterboden des Küchenverbaus.

Gudrun sauste zu ihrem Vater, der im Keller etwas reparierte: „Papi, du musst sofort die Spatzen retten!“

Stand der Geschirrspüler noch ausgebaut in der Küche, gesellte sich nun der Herd zu ihm. Auch das nützte nichts, die Spatzen saßen zu weit im Eck eines Nebenkasterls. Wir räumten es schnell aus, Stefan holte Bohrer und Stichsäge und sägte ein Loch in die Bodenplatte. Vom Geräusch vertrieben, flohen die zwei Ausreißer in die andere Ecke. Also nochmals ein Loch in den Boden dieses Kästchens bohren.

Gott sei Dank, die beiden konnten genommen werden, sie waren unverletzt, und der beste Papi bekam ein festes Bussi seiner 13-jährigen Gudrun für die so aufwändige Spatzenrettung, die sich über Stunden gezogen hatte.

Nun saßen sie wieder im Käfig, hatten nach wie vor unendliche Angst und verweigerten jegliches Futter, sosehr wir uns bemühten.

Ein letzter Versuch, sie mit einer Wärmelampe wieder fit zu bekommen, brachte keinen Erfolg. Nacheinander starben sie. Aus Kummer oder war es eine Krankheit?

War sie nun umsonst gewesen, die Mühe?

Nein, denn die Kinder waren sich sicher, dass sie allein den liebsten und besten Papi der Welt haben, kein anderer hätte wegen zweier Spatzen so eine Mühe auf sich genommen.

Bei uns hat halt jedes Lebewesen gleichviel Anspruch auf Leben!