© Monika Gruber:

Heute breche ich auf. Ich besuche den großen Teich, in dem meine Seele wohnt. Noch ist die Oberfläche des Gewässers gefroren. Ich kann darauf gehen. Ohne einzubrechen. Ohne in die Tiefe zu stürzen und vom Wasser verschlungen zu werden. Ich erkunde die Seelenlandschaft. Die Sonne scheint. Ungetrübt. Nur hie und da huscht ein Wölkchen wie flauschige Watte über den blauen Himmel. Nichts trübt meinen Blick, die Sicht nach oben, in den Himmel über mir, wo nachts die Sterne leuchten. Nach Süden hin begrenzt ein Waldsaum den Horizont. Ein Laubwald, ohne Laub. Um diese Zeit, Anfang Jänner, stehen Eschen, Buchen, Erlen und Ahorn ohne Blätter da. So kann ich den Wuchs der Bäume und die Struktur der Äste deutlicher erkennen, als wenn sie ihr grünes Kleid tragen würden. Je näher ich komme, umso besser sehe ich, wie sich die Baumspitzen verzweigen, freue mich über schlummernde Blattknospen, Jahrestrieb und den Leitast. Jener Zweig, der im Frühling an der Spitzenknospe eines Baumes hervor gesprossen war. Der erdig braune Farbton der Rinden vermittelt mir Geborgensein. Schenkt meinem Gemüt die Gemütlichkeit von Großmutters Ohrensessel, wo ich der Kälte trotze. Ich vertraue dem Lauf der Jahreszeiten. Es wird wieder grünen, es wird wieder Blatt um Blatt wachsen, es wird wieder Sommer ins Land ziehen. Ahne, es wird auch wieder herbsteln und das fallende Laub zu Dung vererden, der neues Grün wachsen lässt.
Ich stehe auf festem Grund, auf dickem Eis. Unter meinen Schuhen knirscht gefrorener Schnee, der mir vorkommt wie Schüppchen, die aus dem Fluss der Zeit gefallen sind. Mir gefällt die Struktur der Eisschichten. Sie erinnert mich an die Streusel auf meinem Geburtstagskuchen. Die bringen mich zum Lachen, denn das Bild wirkt auf mich wie eine Einladung zum Spielen. – Ich nehme sie an.