© by Johanna Blümel

Eine bissige Geschichte

 Der Kater Streuner und Benno, der alte Hofhund leben auf einem kleinen Bauernhof. Der Kater ist ein von Revierkämpfen gezeichneter Krieger: Ein Ohr hängt, sein Körper ist mit Narben überzogen und an manchen Stellen ist die Haut sichtbar.

Also weder ein schöner Anblick, noch eine Katze, die zum Streicheln reizt.

Aber Martha und Fritz, die beiden Kinder lieben ihn und Benno. Sie stoßen sich nicht an Äußerlichkeiten, was für Kinder typisch ist.

Jeden Morgen, ziemlich pünktlich um 7 Uhr, taucht Streuner zum Frühstücken in der Küche auf. Genauso regelmäßig holt er sich Streicheleinheiten von den Kindern. Schnurrend stürzt er sich danach auf seine Futterschüssel.

„Mama schau, was ist das für ein liebes, braunes Käferl? Wie weit das springen kann“, ruft die sechsjährige Martha, während der vierjährige mit Kulleraugen die Sprünge des Tierchens verfolgt. Der „Käfer“ fühlt sich – scheint`s – geehrt und macht noch ein paar Meistersprünge.

„Das ist ein Floh“, sagt die Mutter und versucht diesen mit dem Zeigefinger zu erdrücken. Mit einem großen Sprung rettet sich der Verfolgte auf den Fußboden. Da dieser voll mit Brot- und Kuchenbröseln ist, entgeht der Floh dem suchenden Auge der Hausfrau. Aber welcher Floh haust schon gerne auf dem Fußboden??

Er hält also Ausschau nach etwas Sicherem. Da sieht er den Kater bei der Futterschüssel. „Essen auf vier Pfoten“, ein besonders günstiges Transportunternehmen. Er springt und – landet auf der Wade der Hausfrau.

„Igitt“, auf gut durchblutete Katzenhaut mit dicht behaartem Flohversteck war er vorbereitet und jetzt eine fast nackte, nylonbestrumpfte Wade. Als er jedoch die Wärme unter seinen Flohbeinen spürt, vergisst er seine erste Wahl und denkt sich: „Auch gut, mal keine Haare im Futter“, und beißt zu…

„Au“, hört er noch, dann trifft ihn ein Schlag, der den Panzer krachen lässt und seinen Blick vernebelt.

„Diese ekelhaften Flöhe. Morgen besorge ich Flohbänder. Die Viecher habe ich satt“; schreit die Frau. „Dauernd, juckt und beißt es. Es reicht“.

Der Floh hört das nur aus weiter Ferne, während er vom Bein auf den vorbei eilenden Kater fällt, der es vorzieht die Flucht zu ergreifen. Streuner spürt, dass der Zorn etwas mit ihm zu tun hat.

Er flüchtet zu Benno. In diesen Augenblicken trösten sie sich immer mit einem Nasenkuss, während einige Flöhe die Seiten wechseln. Dann verkriecht er sich in die sonnengeheizte Hundehütte. Der Kater liebt diese Höhle. Im Winter schlafen sie beide darin.

So konnten der Floh und andere seiner Generation in Ruhe ihre Eier auf Hund, Katze und in der Hundehütte legen.

Doch daran denkt der kleine Sauger nicht, während er im Katerfell langsam wieder zu sich kommt + merkt – er ist wieder zu Hause.

Nach all den überstandenen Strapazen hat er Hunger und will sich einen kräftigen Schluck Blut gönnen.

Streuner zuckt und macht eine Verrenkung mit dem Hinterbein. Doch das stört den Floh nicht, er hat heute schon Ärgeres überstanden.

Als Streuner am Morgen in die Küche kommt, ist die Hausfrau besonders freundlich. „Streunerle, komm her. Bist ein braver Kater.“

„So ist die noch nie zu mir gewesen“, ist Streuner sofort misstrauisch. Er will den Rückzug antreten. Mit angelegten Ohren, schiebt er sich verkehrt zur Tür. Er ahnt nichts Gutes.

Noch bevor er das Weite suchen kann, drückt ihn eine Hand zu Boden. Eingeklemmt zwischen zwei Knien wird ihm etwas über den Kopf geschoben.

Er vergisst aufs Fressen und rennt in den Hof, sobald der Griff sich lockert.

Er nimmt einen unangenehmen Geruch wahr – aber nicht nur er. In seiner Unterwäsche setzt eine Bewegung ein, die den Kater zu Bocksprüngen veranlasst.

Mal hat er alle 4 Pfoten in der Luft, dann macht er einen Purzelbaum und versucht zwischendurch das unangenehme Ding vom Hals zu streifen.

Er saust an Benno vorbei, der wiederum ihn überholt. Manchmal schaffen sie auch einen gemeinsamen Purzelbaum und übertreffen sich an Turnübungen.

Langsam wird es ruhig auf ihrer Haut. Erschöpft sinken beide um.

Die Flöhe springen weg und hüpfen durch den Holzzaun in die Nachbarschaft. Den alten Strohsack verbrennt die Bäuerin und ersetzt ihn durch einen neuen.

Streuners Floh blickt noch einmal zurück und wendet sich dann der neuen Heimat zu.

Benno und der Kater merken von all dem nichts. Sie strecken den Bauch in die Sonne und genießen die ungewohnte Stille in ihrem Pelz.

 

Der erste ruhige Schlaf seit Monaten.

Tja, Hygiene und Fortschritt sind eben nicht jedermanns Sache und haben nicht nur Nachteile……