© by Walter Nolz

Das Mammut rockt

 Am 7. September 2018 war es wieder einmal so weit. Zum 25-Jahr Jubiläum des Urzeit-Museums Nussdorf spielte im Schlossgarten – unterhalb des Urzeit-Museums gelegen – das Schloss existierte schon lange nicht mehr – die beliebte Band „EXTRA:GONE“ Rockklassiker. Schönes Wetter, der Schlossgarten gesteckt voll mit Fans, in Erwartung der Musik. Oberhalb des Veranstaltungsortes stand neben dem Museum auf seinem Podest „Nino“, das Mammut. An Alter noch sehr jung, erst 15 Jahre alt, aber, bedingt durch seine Mammut-Gene, ausgestattet mit sehr lange zurückreichenden Erinnerungen. „Nino“ hatte von seinem Standplatz aus einen sehr guten Überblick und dank seiner großen Ohren einen sehr leidlichen Stereo-Empfang seitens der Musik. Die Band legte los mit zwei Buddy Holly Klassikern – „Maybe Baby“ und „Peggy Sue“. Buddy Holly, der schmächtige, leider viel zu früh verstorbene junge Sänger und Gitarrist mit der Hornbrille. „Nino“ begann mit zu wippen. Selber trug „Nino“ keine Hornbrille, wäre zu viel der Satire und auch seine Lebensjahre fragwürdig.

Dann spielte die Band, die übrigens das ganze Konzert über in Hochform agierte, Bill Haley’s „Blue Suede Shoes“ und – wer kennt den Song nicht – „Skinny Minnie“. Überglücklich formte sich „Nino“ aus seinem Kopfhaar die berühmte „Bill Haley Schmalzlocke“ und klatschte sie mit etwas Spucke aus seinem Rüssel an seiner Stirn fest. Als dann später die Sängerin der Band Janis Joplin’s „Mercedes Benz“ intonierte, bekam „Nino“ weiche Knie. Janis Joplin – die unvergleichbare Rock- und Blues-Röhre. Sein Schwarm. Seine Augen wurden etwas feucht. Auch sie leider viel zu jung gestorben.

Einige Songs später wurde es musikalisch etwas härter. Bei dem Schlagzeugsolo – ca. 10 Minuten lang – von Iron Butterfly’s „In-a-gadda-da-vida“ imitierte „Nino“ die Bass-Drum des Schlagzeugers indem er sich mit dem Rüssel auf seine breite Brust trommelte. Die Band „EXTRA:GONE“ wunderte sich über ihren Trommler. So ein gutes und intensives Solo hatten sie noch nie von ihm gehört. Er selbst war übrigens auch überrascht.

Nach der Pause startete die Band mit der Canned Heat Nummer „Refraid Boogie“ – Dauer 41 Minuten lang. Jetzt wurde „Nino“ langsam unruhig. Der stampfende Rhythmus und das lange Gitarren-Solo brachten seine Beine zum „Zuckeln“ und die Erde leicht zum Vibrieren. Doch dann begann das eigentliche Unglück.

Die Band bekam nach dem Konzert frenetischen Applaus seitens des Publikums. Als Draufgabe hatte sich „EXTRA:GONE“ einen der Großmeister des Rock’n Roll’s auserkoren: Chuck Berry. Die ersten zwei Nummern – „Maybellene“ und „Johnny B. Goode“ verliefen noch einigermaßen ruhig. „Nino“ war schon ziemlich aufgekratzt, hatte sich aber doch noch etwas unter Kontrolle. Doch bei der dritten Zugabe passierte es. „Roll over Beethoven“. Und hier geriet das Mammut-Blut endgültig in Wallung. Als nämlich der Gitarrist zum berühmten „Entenwatschel-Gang“ ansetzte – eine Spezialität Chuck Berry’s – ein Fuß in der Kniebeuge, den anderen waagrecht weg-gestreckt – über die Bühne watschelnd, die Gitarrensaiten malträtierend, war es um „Nino“ geschehen. Sein Versuch, es dem Gitarristen bzw. Chuck Berry  nachzumachen, löste ein kleines Erdbeben aus. Die Band und die Zuhörer dachten sich aber nichts dabei. Sie führten die Erdschwingungen auf ihr enthusiastisches Tanzen zurück und auch für das Seismologische Institut waren die Resultate ihrer Messgeräte nicht sonderlich beunruhigend.

Am nächsten Tag ging der Kustos ins Urzeit-Museum um es zu öffnen. Ihn traf fast der Schlag. Etliche der Ausstellungsstücke hatten ihr ursprüngliches Aussehen verloren. Kein Wunder. Welche zusammengeklebten Exponate – Krüge, Vasen oder Schüsseln halten einen „Mammut-Enten-Watschelgang“ aus. Ein schöner, bzw. nicht so schöner Scherbenhaufen lag in den Vitrinen. Sogar das Kelten-Paar samt Kindern stand fassungslos und nackt herum. Regelrecht aus dem Gewand gebeutelt. Dieser Schaden war aber schnell behoben. Das Gewand einfach wieder anziehen. Doch was mit dem Rest tun? Das Historisch richtige zusammenkleben würde zu lange dauern bei dem Scherbenhaufen. Also klebte der Kustos die Scherben spontan, wie er sie gerade in die Finger bekam zusammen und trug diese Gebilde in den Sonderausstellungs-Raum und platzierte sie in den Vitrinen. Im Freien stellte er dann einen Plakatständer auf: „Achtung! Sonderausstellung! Moderne Keramik auf Basis Urzeitlicher Funde! Nur kurze Zeit!“ Stolz betrachtete er sein Plakat, war erfreut über seine gute Idee.

Aber irgendwie – seltsamerweise – fühlte er sich beobachtet. Als er sich umdrehte, sah er niemand, nur das Mammut stand auf seinem Podest. Irgendwie anders, aber das konnte ja nicht sein. Und die Bill Haley Schmalzlocke auf „Nino’s“ Stirn war wahrscheinlich eine Sinnestäuschung. Er ging wieder ins Museum um die Eintrittskarten für die Sonderausstellung vorzubereiten.

Mit einem teils verlegenen, teils verschmitzten Lächeln blies sich „Nino“ mit seinem Rüssel die Locke aus der Stirn.