© by Rudolfine Haiderer

Die Petroleumlampe

 Ich erinnere mich gerne an die Petroleumlampe, die in der Küche meiner Großmutter an der Wand hing. Sie verbreitete einen sanften, traulichen Schimmer, in dem man eng zusammenrücken musste. Während die Umrisse von Kredenz, Ofen und Wasserbankerl im Hintergrund ineinander verschmolzen, leuchtete das Gesicht der Großmutter in einem warmen, rötlichen Schein, freundlich, heiter und liebevoll.

            Ich sehe mich selber auf der Kohlenkiste knien, die Arme auf den Tisch gestützt, der Großmutter zusehend, die Strümpfe stopft, oder strickt. Wie aufmerksam schaute ich zu beim Nadel-einfädeln, wie gespannt verfolgte ich den Wollfaden, der kunstvoll über die Stricknadeln gezogen wurde. Und wie atemlos lauschte ich ihren Märchen und Erzählungen.

            Aber wenn ich unruhig wurde, mich kratzte am Bauch oder am Rücken, legte die Großmutter die Arbeit weg, holte die Petroleumlampe von der Wand und drehte den Docht höher. Dann zog sie mir das Kleid über den Kopf, schob das Hemd in die Höhe und suchte, leise schimpfend, nach dem Missetäter.

            „Hab ihn schon!“ rief sie dann und wuzelte etwas zwischen den Fingern, legte einen kleinen schwarzen Punkt auf den Tisch und zerdrückte ihn mit dem Daumennagel.

            Es gab einen kurzen, schauerlichen Knacks, aber wir lachten triumphierend und riefen: „Der wird nicht mehr beißen!“ Und da wusste ich in heiterer Gewissheit: Mir kann nichts geschehen, alles ist gut, die Welt ist in Ordnung!

            Immer ist für mich der sanfte Schein einer Petroleumlampe untrennbar verbunden mit dem Gefühl von Liebe, Zärtlichkeit, Geborgenheit und Zuversicht.