© by Ingrid Hoffmann

 

Meine kurze Reise ans Ende der Stadt

 Alle Reisen und kulturellen Veranstaltungen auf Wochen gestrichen, Flughäfen dicht gemacht, Grenzen geschlossen. Ich koche viel.

 Die Straßen zugeparkt, kein Mausloch frei. Ich steig aus, nehm die Kühltasche, vollgepackt mit essfertigen Gerichten, und mach mich auf den Weg.

 Der erste Kontakt seit 14 Tagen. Ich trete durch die Tür und sag, nicht erschrecken. Mutter sieht mich unverwandt an, wie ich dasteh mit Handschuhen und Mundschutz. Die Heimhilfen kommen 3 x täglich – mit Handschuhen, aber ohne Mundschutz.

 Die Brille beginnt jetzt anzulaufen. Nachdem ich das Essen im Tiefkühler verstaut habe, geh ich mit dem Staubsauger durch alle Zimmer, putze WC, Bad und Küche. Die Bedienerin kommt derzeit nicht. Der Pensionistenclub hat geschlossen, die Frisörin, der Fußpfleger auch. Mein Bruder kommt nicht mehr jeden Tag, weil er auch schon über 70 ist und seine Tochter die Besorgungen übernommen hat.

 Mutter feiert heuer ihren 97. Geburtstag. Sie spricht mit den Blumen. Die Orchideen im schattigen Bad, der Weihnachtskaktus – eigentlich Osterkaktus – im sonnigen Schlafzimmer. Immer wieder sag ich zu Mutter, komme mir nicht zu nah, und mache abwehrende Bewegungen mit den Händen. Sie ist schwerhörig. Und fast blind.

 Ich versteh es ja, sagt sie tapfer, aber die Tränen in ihren Augen sagen etwas anderes.

 Ich schick ihr Handküsse und eine Umarmung andeutend. Wir telefonieren – jeden Tag, hörst du? Sie nickt und wartet jetzt schon auf den morgigen Anruf.

 

einsam daheim

Corona unter uns – nur

der Wind in den Gassen