© by Wilhelm Maria Lipp

Adam

 Sie: „Was denkst du, sollten wir für unsere Buben nicht ein Haustier anschaffen? Vielleicht würden sie dadurch weniger wild miteinander umgehen. Hörst du nicht auch, wie oft der Kleine weinen muss?“

Er: „Warum nicht. Kaufen wir ein Aquarium mit vielen bunten Fischen. Das können sie stundenlang beobachten, und es macht weder einen Dreck noch einen Lärm!“

Sie: „Aber zum Kuscheln und Liebhaben sind Fische doch nicht geeignet.“

Er: „Sie haben doch auch einen Kuscheldelphin, um den sie sich oft streiten und einen Kuschelfrosch. Das wird sich nie ändern, glaube ich.“

Sie: „Das ist nicht dasselbe. Sie brauchen ein echtes Tier, eines, mit dem sie spielen können, dass sie auch herumtragen können, eines, für das sie Verantwortung übernehmen müssen. Ich habe da an einen Hund oder eine Katze gedacht. Hast du nicht auch als Kind sowohl eine Katze, als auch einen Hund gehabt?“

Diesem Argument konnte er nichts entgegensetzen, es stimmte ja. Mit seinem Katzer Schnurli und mit dem Hund Moro hat er viele Stunden seines Kinderlebens zugebracht. Die Katze war im Haus sein Haustier, und Moro, der Hund war Spielkamerad im Freien.

Er: „Also gut, besorgen wir eben eine Katze. Aber ich werde mich nicht um sie kümmern, das machst du, wenn es die Kinder übersehen. Ich habe genug Anderes, worauf ich schauen muss!“

Sie: Schau, da habe ich ein Foto von einer Sofortbildkamera aufgenommen. Sind das nicht besonders schöne Katzenkinder? Und dieser eine da, an der Seite, der mit dem hellen Fleck am Kopf, also dieser Kater ist noch zu haben. Aber wir müssen schnell sein. Meine Freundin hat mir erst heute in der Arbeit dieses Bild gegeben und gemeint, das wäre doch etwas für unsere Buben!“

Jetzt wusste er, warum sie gerade heute auf diese Idee gekommen war. Die Freundin hatte wieder irgendwo Katzenkinder gefunden, die rasch ein neues Zuhause brauchen, sonst würden sie verstoßen. Er kannte die Freundin. Sie hatte schon öfter liebe Bilder von jungen Katzen oder Hunden dabei gehabt. Aber er hatte jedes Mal eine Ausrede, warum sie kein Haustier bräuchten. Nun aber hatte ihn seine Frau erwischt. Egal, einmal „Ja“ gesagt, hielt er seine Zusage.

Zwei Tage später hielt Adam Einzug in seine neue Wohnung. Dass er Adam heißen müsse, war von Anfang an klar. Schließlich hören Katzen die Vokale und die Zischlaute. Also wäre es egal, ob man Adam oder Lama sagt, die Katze hört zweimal a, und wenn sie darauf fixiert ist, kommt sie auch angelaufen, sogar wenn jemand „Aha!“ rufen täte.

Eine spätere Katze, die wir noch bekommen sollten, hieß dann Ami, damit sie sich vom Adam geräuschtechnisch unterscheidet.

 

Adam hatte seine Freude an unseren Kindern. Sie spielten gerne und oft mit ihm, so lange sie noch nicht im Kindergarten oder dann in der Schule waren. Manche Spiele waren eher wild, aber der geduldige Kater machte alles mit. Wenn ihn die Buben links und rechts nahmen, ihn dann zwei-, dreimal über den Boden schliffen und dazu „Brumm, Brumm!“ riefen, danach los ließen, machte er ihnen die Freude und lief, so schnell er konnte, über die rutschigen Fliesen davon. Sie wollten doch nur Auto spielen, er aber flüchtete rasch. Es dauerte dann wieder ein Weilchen, bis er zurück kam, sich von den beiden streichen ließ und seinen Katzenmotor, das Schnurren, wieder einschaltete.

 

Adam war wählerisch. Er aß nicht alles. Wir hatten eine eigene kleine Schüssel, wo er sein Futter bekam. Die Großmutter von den Kindern hatte selber ein paar Katzen und wusste genau, was so ein Haustier gerne frisst. So brachte sie die herrlichsten Leckereien für Adam. Er aber ließ das meiste stehen. Adam holte sich, was er sich wünschte, bei den Nachbarn.

Die eine erzählte: „Euer Adam ist ein Feinspitz. Er holt sich jeden Tag frische Leber von mir ab. Katzendosenfutter lässt er stehen, er mag nur Leber.“

Die andere wiederum meinte. „Nimmt euer Adam auch etwas Anderes als Milch? Er kommt zweimal am Tag vorbei und streicht um meine Beine, bis ich ihm Milch gebe. Sonst hat er noch nichts bei mir angerührt.“

 

Ja, so war Adam. Wählerisch und von den Nachbarn verwöhnt. So lange unsere Buben daheim waren, hatte Adam sein Zuhause bei uns. Aber ab dem Moment, wo beide tagelang in der Schule waren, suchte sich Adam ein neues Heim und fand es beim Nachbarn an der anderen Straßenseite. Die Nachbarin dort fragte einmal, ob es uns etwas ausmacht, wenn sie ihn kastrieren lassen. Sie würden es bezahlen, aber er markiert überall, und das wäre unangenehm. Sie hatten eine kleinere Tochter, und die liebte unseren Adam abgöttisch und er liebte sie. Adam kam nur noch selten heim zu uns und auch nur dann, wenn er besonderen Gusto hatte. Die anderen Nachbarn besuchte er weiterhin und holte sich Leber und Milch.

 

Irgendwann wurde Adam von einem Auto überfahren. Da brachten ihn die Nachbarn zurück zu uns. Jetzt war er wieder unser Kater, und wir pflegten ihn gesund. Aber kaum, dass er wieder aktiv herumtollen konnte, war er wieder drüben bei seiner großen Liebe, der Tochter unseres Nachbarn. Dort blieb er, bis auch er das Zeitliche segnete.

 

Das Leben ging weiter, wir, die Eltern und unsere Kinder schlugen eigene Wege ein. Aber hie und da erinnern wir uns an ihn, an Adam, unseren Hauskater von einst.

 

Übrigens, eine Zeit lang hatten wir auch ein großes Aquarium mit vielen Goldfischen. Es stand wie ein Fernsehgerät auf einem Tisch. Die Kinder betrachteten manchmal die herumflitzenden Fische, aber spielen und kuscheln konnten sie nur mit Adam.