© by Doris Pikal

Sonstige Liebeserklärungen

 Irgendwie sind wir eine Chaotenfamilie; immer verliert oder sucht irgend jemand irgend etwas und ich bin meistens diejenige, die das Gesuchte findet, oder weiß wo es ist. Meistens sind es Schlüssel, Brieftaschen, Handys, scheinbar unwichtige Zetteln mit Nummern die ich aufgehoben hatte. Mütter wissen wahrscheinlich wovon ich spreche. Mütter finden und wissen meistens noch viel mehr Dinge, über das sie nicht sprechen.

Leider, muss ich zugeben, daß ich in letzter Zeit auch Gegenstände verlege oder vergesse und meistens ist es dann mein Mann, der meinem Gedächtnis auf die Sprünge hilft.

Neulich suchte er zum Xten Male seine Schutzbrille, weil er den Futtertrog abstemmen wollte. Ich erinnerte mich, sie zuletzt im Bad gesehen zu haben. Dort hatte er sie abgelegt, bevor er abends duschen gegangen war.

„Nimm diese“ reichte ich sie ihm.

„Ach, Schatzi“ sagte er „wenn es dich nicht gäbe müsste ich dich glatt erfinden.“

Ich lächelte, denn das sagte er immer. Aber dann widersprach er sich

„Nein, ich könnte es nicht. Ich bin kein Dichter, so wie du.“

„Wenn du es nicht kannst, wer sollte es sonst können?“ fragte ich. Schließlich kannte ich seine Begabung sich auszudrücken,

An meinem ersten Geburtstag den wir gemeinsam feierten schrieb er mir folgendes Gedicht:

                                  Was du mir bist, ich kann es kaum in Worte fassen

                                  Man müsste einen Dichter schreiben lassen

                                  So wünsch ich dir für`s neue Jahr

                                  Viel Glück, viel mehr als war

                                  Hier eine Rose, zum ewigen Gedenken

                                  Sonst kann ich dir nur Liebe schenken.

 

Dazu hatte er eine wunderschöne Rose gezeichnet; die schönste und unvergänglichste, die ich je bekommen hatte.

„Ich weiß nicht, ob ich die richtigen Worte finden könnte“ antwortete er mir bevor er an die Arbeit ging.

„Die richtigen Worte“ sagte ich mir „sind nicht so wichtig, wie die richtigen Taten.“ Und Taten der Liebe gab es genug. Ich erinnerte mich an das erste Weihnachtsfest in unserem Bauernhaus, wo kein Geld mehr blieb für gegenseitige Geschenke, nachdem wir alle Zahlungen geleistet hatten. Dennoch wollte er mir etwas schenken. Darum hatte er seinen Fitnessraum ausgeräumt um für mich einen Trockenraum zu schaffen. Der alte Pferdestall in dem er sich eingerichtet hatte war nicht isoliert. In jenem Jahr kämpften wir vor Weihnachten mit argen Frost. Bei Temperaturen um die –15 Grad stand er draußen in der Kälte und nagelte die Laminatbretter, die vom Zimmer meiner Tochter übrig geblieben waren, mit klammen Fingern an die schmutzige Stallwand. Es reichte nicht einmal für eine ganze Wand, aber es verhinderte, daß die Wäsche die dort hing verschmutzen konnte.

Es gab viele solcher Liebesbeweise. Einmal hatte ich ihm über mehrere Tage beim Renovieren geholfen, weil wir etwas fertig bringen wollten, bevor der Schlechtwettereinbruch kam. Die ganze Hausarbeit war liegen geblieben. Dann musste ich wieder arbeiten fahren ohne daß ich etwas davon erledigen konnte Als ich am Abend nach Hause kam, war die ganze Wäsche gewaschen, getrocknet und zusammengelegt. Ich musste sie nur mehr in den Schrank räumen.

Das „sonst“ von dem er in seinem ersten Gedicht an mich gesprochen hatte beinhaltet viel mehr als es vielleicht den Anschein hat.

Das erste „S“ steht für die Sensibilität meinen Bedürfnissen gegenüber,

das „O“ für Opferbereitschaft, was seine Wünsche betrifft

das „N“ für Nähe

das zweite „S“ für Schutz und Zuflucht,

das „T“ für ewige Treue.

So betrachtet ist die Liebe die er mir „sonst“ schenkt lieber, denn die bekomme ich nach Bedarf und nicht nach Fest und Feiertagen.