© by Rudolfine Haiderer

 

Der Geliebte

          Ich habe einen heimlich Geliebten, von dem niemand etwas weiß, der mich aber fast täglich schon früh am Morgen in meinem Schlafzimmer besucht. Mit geschlossenen Augen warte ich auf ihn, wenn er ein wenig am Vorhang rüttelt und dann näher ans Bett schleicht, um mich leise und zärtlich auf Stirn und Wange zu küssen. 

         Da muss ich dann schon lächeln, denn immer bringt er auch allerhand Geschenke mit, die mit Lärm beladen sind! Richtige Muntermacher sind das und ich rate manchmal falsch wenn er das Glockengeläute oder den Schlag der Turmuhr laut, oder leise vor sich herschiebt! Oder, wenn er aus der Richtung des Bahnhofs oder der Autobahn kommt, und alles mitbringt, was es dort an Dröhnen, Rollen und Scheppern, an Kreischen, Pfeifen und Heulen gibt.

         Am Lustigsten ist es aber, wenn mein Geliebter mich  noch Spätnachts aufsucht, das heißt, wenn er bei den nicht enden wollenden Feierlichkeiten der sommerlichen open-Air-Konzerte die lautverstärkte Pop-Musik an sich reißt, sie zerfetzt und zerhackt und wie tönende Kanonenkugeln über die ganze Stadt feuert. Wie sehr können wir dann darüber lachen!!!

         Und doch – manchmal denke ich, dass mein Liebster einen solchen Radau eigentlich selber nicht  mag, denn warum sonst sollte er dann immer diese mitgeschleppten Lärmorgeln so heftig über das Land jagen, dass sie an Bergspitzen zerplatzen und in kleinen, sprühenden Sternchen am Himmel kleben bleiben? Vielleicht möchte er viel lieber in der Stille meines Schlafzimmers ausruhen, ein wenig nachdenken darüber, wo er das Zirpen der Grillen versteckt hat, das Froschgequake und den Schlag der Nachtigall:

         Und manchmal liebe ich diesen leidenschaftlichen Verwandlungskünstler trotzdem heiß und innig, dann nämlich, wenn er mir zuliebe nichts anderes sein will, als laue Brise! Wenn er sich Zeit nimmt, die Wohlgerüche von Wiesen und Feldern einzusammeln, den jungen Duft vom Getreide, den schweren vom sonnengedörrten Gras. Wenn er aus den Auwäldern den Akazienduft holt und aus den Gärten den der Rosen und Levkojen. Wie sehr liebe ich ihn dann, diesen zärtlichen Schmeichler, der alle Herzen leicht werden lässt…!