© by Wilhelm Maria Lipp

Mein Vater beim Beichten

 Meine Familie war immer eine katholische Familie. Wir hatten gute Kontakte zur Kirche. Ein Cousin meiner Mutter war sogar Priester. Auch ich hatte eine Zeit lang überlegt, ins Priesterseminar zu gehen und dort zu studieren. Aber ich wollte dann doch nicht in ein Internat. Allerdings durfte ich in unserer Pfarrkirche ministrieren mit all den Pflichten, die dazu gehörten. Also war ich zu Jahresbeginn „Sternsinger“ und vor Ostern ein „Ratscherbub“.

Die Sonntagsmesse war für uns ein MUSS. Wenn wir Kinder als Jugendliche irgendwann auch die Freiheit hatten, am Samstagabend auszugehen, so immer nur unter der Voraussetzung, dass wir die Messe am Sonntag nicht versäumten.

 Der Umgang mit unseren Pfarrern war etwas Natürliches, Selbstverständliches in meinem Elternhaus. Der Pfarrer war ein Freund des Hauses. Er war auch der Beichtvater meines Vaters. 

Wieder einmal ging mein Vater zur Beichte, so erzählte er uns später. Er kniete sich in den Beichtstuhl, wo der Pfarrer das Guckloch geöffnet hatte und flüsterte diesem seine Sünden durch eben dieses Loch. Dann erwartete er eine Buß-Aufgabe und die Absolution.

Der Pfarrer aber tat nichts, redete nichts. Nach einer Weile meinte er dann, mein Vater möge seine Sünden noch einmal ansagen. Papa tat, wie ihm geheißen und wartete wieder auf die entsprechende Reaktion. Umsonst! Erst nach dem dritten Beichtgespräch erhielt er seine Bußaufgabe und die Absolution.

 Als mein Vater danach vor der Kirche mit dem Pfarrer zusammentraf, war er doch der einzige Beichtwillige an diesem Tag, fragte er den Geistlichen, warum er seine Sünden dreimal sagen hat müssen. Ob der Pfarrer unaufmerksam gewesen war, durch irgendwelche Gedanken abgelenkt war, oder ob die angesagten Sünden so erschreckend gewesen wären, wollte er wissen. Darauf entgegnete der Pfarrer:

„Nein, nichts von alldem. Sei mir nicht böse, bitte, aber als du im Beichtstuhl zu mir geredet hast, hast du so gut nach Grünem Veltliner gerochen!“