© by Wilhelm Maria Lipp

Närrische Schwammerln

Gibt es diese wirklich? Ich habe so viel Närrisches erlebt, aber Schwammerl, also Pilze waren nie dabei. Natürlich weiß ich, dass es giftige gibt und solche, die manche Menschen absichtlich essen, um ein wenig „abzuheben“. Aber ich denke, an sich sind die Pilze nicht närrisch. Trotzdem kann ich mich an ein Erlebnis erinnern, wo wir zuerst dachten, dass närrische Schwammerl im Spiel gewesen waren.

Als ich ein Kind war, hatten wir einen Teil unseres riesigen Gartens als Hühnergarten abgezäunt. Darin war auch ein kleiner Altbestand einer Au als Bewuchs auf einer alten Schottergrube. Für uns Kinder ein Abenteuerspielplatz, wo man sich auch gut verstecken konnte, wenn man sich hinein traute. Immer wieder gab es besondere Funde dort. Altes Werkzeug, besondere Steine, die sicher von einem Meteor stammen mussten, wie wir damals dachten. Auch die sonderbarsten Käfer, Insekten, auch Frösche bei einem kleinen Tümpel und Blindschleichen. Damals dachten wir, es wäre eine gefährliche, besonders giftige Schlange. Im Bewuchs des Unterholzes fand sich auch der eine oder andere seltsame, uns unbekannte Pilz. Manchmal mussten wir diese uns unheimlich vorkommende Stellen durchkämmen, unsere Hühner könnten dort ja auch Eier versteckt haben.

Am Rand dieser Gartenwildnis hatten wir unseren Komposthaufen. Der war relativ leicht zu erreichen, und er war ziemlich groß. Wir konnten den Kompost, also die Grünabfälle unseres Obst- und Gemüsegartens, mit der Schiebetruhe hinfahren und dort abkippen. Auch die Küchenabfälle fanden dort ihre letzte Ruhestätte, na ja eigentlich die vorletzte, denn die Hühner waren darauf erpicht und scharrten alle Abfälle mehrmals durch auf der Suche nach noch genießbarem Futter.

Die Hühner hatten am Rande des riesigen Hühnergartens auch ein eigenes Haus, in dem sie in der Nacht vor wilden Tieren sicher waren, oder wenn ein arges Gewitter über uns zog. Gleich nach der Stalltür hatten sie einen länglichen eisernen Trog, der immer mit Wasser gefüllt sein musste. Hühner sind keine auf Sauberkeit achtende Wesen. Oft musste ich den Wassertrog säubern, ihn entleeren und neu befüllen.

Einmal füllte ich die halbleeren Bierflaschen in diesen Trog, die nach einem Treffen von Bekannten meiner Eltern am Gartentisch stehen geblieben waren. Auch diese Flaschen gehörten entleert, und ich war neugierig, wie die Hühner darauf reagierten.

Es war wirklich lustig anzusehen. Sie steckten ihre Köpfe hinein, nahmen die Schnäbel voll Flüssigkeit auf, reckten die Hälse hoch in die Luft, so als wollten sie die Sonne anbeten. Aber das taten sie auch beim Wassertrinken. Nur diesmal waren sie von der Tränke nicht wegzukriegen, bis diese leer war. Dann begannen sie einander nachzulaufen. Nicht nur die Hähne liefen den Hennen nach, nein alle liefen über- und durcheinander und das in einer anfangs wirklich beachtlichen Geschwindigkeit, dabei gackerten sie aufgeregt, als ob sie viele Eier gelegt hätten und sie dies allen Wesen rundherum erzählen müssten. Dann allerdings fielen sie hin, drehten sich auf den Rücken und streckten die Beine in die Luft. Ich dachte schon, sie wären tot und erwartete ein Strafgericht meiner Eltern. Meiner Mutter war das Gehabe der Hühner aufgefallen, und sie erzählte es dem Vater, als er heimkam. Der meinte nur, dass sie wahrscheinlich im Au-Teil unseres Gartens närrische Schwammerl gefunden hätten. War ich beruhigt, als sich die Hühner abends wieder aufgerichtet hatten und in den Hühnerstall gefunden hatten. Ich wusste nun, dass auch Hühner auf Alkohol reagieren und würde ihnen nie mehr solchen zu trinken geben.

Einmal aber sah ich sie noch einmal so närrisch laut gackernd herumlaufen. Ich konnte es mir aber überhaupt nicht erklären. Sollten diesmal wirklich närrische Pilze im Spiel gewesen sein? Oder hatte gar eine meiner Schwestern eine ähnliche Idee gehabt, wie ich damals?

Als ich den Komposthaufen genauer ansah, kam ich auf die Ursache. Mein Vater hatte die alten Äpfel aus dem Keller entsorgt und sie am Komposthaufen abgeladen. Manche davon hatten in der Sonne zu gären begonnen. Dass diese dann den Hühnern zu einem ordentlichen Rausch verhalfen, hatte Vater wohl nicht gedacht. Wahrscheinlich hat er das Verhalten der Hühner wieder den närrischen Schwammerln aus der Hühnergartenwildnis zugeschrieben.