© by Claudia Dvoracek-Iby

Unser Treffen

Manche Dinge ändern sich nie. Deine Unpünktlichkeit zum Beispiel. Du lässt mich warten, wie früher, wie immer, doch das stört mich nicht, es ist traumhaft schön hier an der Donau. Ich betrachte den Wolkenhimmel, der sich im Wasser spiegelt, denke über dich, über uns nach, denke an unsere Kinder- und Jugendzeit im Dorf, die wir quasi gemeinsam verbrachten. Wie Schwestern waren wir. Wir vertrauten einander, vertrauten einander alles an. Später dann, in Wien, gründeten wir eine WG, wir reisten zusammen, nach Spanien, in die Pyrenäen. Es war eine schöne, unbeschwerte Zeit. 

Nun stehst du vor mir, hast wie immer eine Erklärung für dein Zuspätkommen parat. Während du redest, suche ich nach Vertrautem in deinem Blick, deiner Gestik. Wir haben uns schließlich lange nicht gesehen. Unser letztes Treffen war vor ungefähr zwei Jahren. Es endete in einem gewaltigen Streit.

Du gestikulierst lebhaft, hältst dich aufrecht wie immer. Dein halbes Gesicht ist von einer FFP2- Maske bedeckt. Ich bilde mir ein, dass deine Augen lächeln. Gut, dass ich dir geschrieben habe, vor ein paar Tagen, gut, dass du umgehend geantwortet, dieses Treffen vorgeschlagen hast. Ich spüre die Verbundenheit der Kindertage zwischen uns, würde dich gerne umarmen, würde gerne dein Gesicht sehen. Doch du nimmst die Maske nicht ab, als wir die Donau entlangspazieren, auch ich nicht, obwohl wir den vorgeschriebenen Abstand einhalten, mir scheint, sogar etwas mehr Abstand als nötig.

Wir tauschen vorsichtig Sätze, erzählen, wie es uns, unseren Familien geht, was sich so tut in unserem Leben. Sprechen über gemeinsame Bekannte. Behutsam versuche ich, von der Oberfläche in die Tiefe zu gehen, von den allgemeinen zu jenen Themen zu gelangen, die man nur mit vertrauten Menschen bespricht. Du gehst auf nichts ein, blockst ab. Beklagst dich über einen deiner Kollegen, streifst dabei die Thematik, wegen der wir uns bei unserem letzten Treffen zerstritten haben, ein politisches Thema. Beiläufig bestätigst und bekräftigst du deine Haltung dazu, deine Meinung, die ich nicht nur nicht teile, sondern die mich sofort meilenweit von dir entfernt. Ich kenne die Gründe, kenne die Menschen, die deine Lebenssichtweisen so komplett verändert haben, doch dieses Wissen ändert nichts daran: Die Basis unserer Freundschaft ist dadurch verloren gegangen.

Diesmal kein Streit deswegen. Aber irgendwann Schweigen. Wir trennen uns früh.

Ich bin traurig. Nicht die Masken, nicht die Abstandsregeln sind schuld daran, dass keine Nähe zwischen uns entstanden ist.

Am Abend eine Nachricht am Handy. Du hast geschrieben:

‚Lassen wir es/uns. Verabschieden wir uns im Guten. Nichts kann uns die Erinnerung an unsere schönen gemeinsamen Zeiten nehmen. Bist mir die beste Freundin gewesen. Ich wünsche dir ein glückliches Leben. Von Herzen.‘

Es ist ein guter Abschied. Wie so oft früher hast du ausformuliert, was ich denke. Manche Dinge ändern sich nie.