© by Maria Gansch

Muttertag

 Das kleine Mädchen sitzt in der Küche, leise murmelt sie vor sich hin. Eine Zeichnung liegt vor ihr.
Die Tür wird geöffnet. Mit Schlafrock, Pantoffeln und wirren Haaren erscheint eine Frau.
Während das Mädchen das Papier nimmt, sucht die Mutter Zigaretten und Feuerzeug. Schlaftrunken marschiert sie zur Kaffeemaschine. Als das Kind das Gedicht aufsagt, hebt sie nur ganz leicht den Kopf. Die Zeichnung legt sie achtlos beiseite. 

Das kleine Mädchen hat sich vorgenommen, heute ganz brav zu sein. Die Spielzeugkiste nicht auszuräumen, keine Fragen zu stellen, nicht zu jammern, wenn sie Hunger oder Durst hat.
Nur das leise Ticken der Uhr ist zu hören, während die Mutter den Kaffee trinkt, die Zigarette raucht, und über das Handy wischt. Leise geht das Mädchen aus dem Haus.

 Der Großvater hat in seinem Holzschuppen Heu für Kaninchen, die Katze liegt gerne darauf. Doch heute ist sie seltsam, ängstlich, versucht sich etwas zu verstecken.
Leise ungewohnte Laute dringen an das Ohr des Kindes. Die noch feuchten Jungen werden von der Katzenmutter trockengeschleckt. Das Mädchen beobachtet mit großen Augen das Geschehen.
Behutsam legt sich die Katze nieder und lässt die Jungen trinken. 

Auf einmal fängt das kleine Mädchen bitterlich zu weinen an.